31.07.2023 15:21:59 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Pkw-Maut: Wissing schaltet Gutachter ein - Schadenersatz von Scheuer?

(neu: Reaktionen)

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesverkehrsminister Volker Wissing will mögliche
Schadenersatzforderungen gegen seinen Vorgänger Andreas Scheuer (CSU) wegen der
geplatzten Pkw-Maut gründlich klären lassen. "Wir können die Akte bei 243
Millionen Euro nicht einfach beiseitelegen", sagte der FDP-Politiker der
Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf fällige Zahlungen des Bundes an die einst
vorgesehenen Mautbetreiber. Daher sollte man sich eine Forderung an Scheuer
sorgfältig anschauen. "Wir lassen ein externes Gutachten erstellen, um
Rechtsfragen zu klären. Das ist letztlich keine politische Frage, sondern es ist
eine rechtliche Frage. Dazu muss das Maß der Fahrlässigkeit untersucht werden."
Es werde etwas dauern, bis das Gutachten fertig sei.

Aus Sicht der CSU handelt es sich um ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver.
"Eine Regressforderung ist vollkommen abwegig", sagte Stefan Müller,
Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, am Montag der dpa in
München. Anfang Oktober ist in Bayern Landtagswahl. Dagegen sagte
SPD-Bundestagsfraktionsvize Detlef Müller, der Anstoß sei gut, jetzt neutral und
durch ein externes Gutachten zu prüfen, ob Regressforderungen möglich und
rechtssicher wären. "Gerade bei diesen hohen Millionenbeträgen sollte uns allen
an einer Klärung gelegen sein, wer die rechtliche Verantwortung für den Schaden
hat. "

Wissing sagte: "Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der
Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Und wenn es die Möglichkeit geben sollte,
jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass
diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den
Keller gelegt werden. Deswegen gibt es nun dieses Gutachten und diese Prüfung."

Der Bund muss als Folge der geplatzten Pkw-Maut 243 Millionen Euro
Schadenersatz an die einst vorgesehenen Betreiber zahlen. Das hatte eine
Verständigung nach einem Schiedsverfahren ergeben. Die Pkw-Maut - ein
Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung - war 2019 vom
Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Die
Betreiberseite forderte zunächst 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der
Bund die Verträge kurz nach dem Urteil gekündigt hatte. Das Ministerium hatte
bereits grundsätzlich angekündigt, mögliche Regressforderungen gegen Scheuer zu
prüfen.

"Das Gutachten wird es uns ermöglichen, mit gutem Gewissen zu sagen, aus
welchem Grund in diesem konkreten Fall ein Regress möglich oder nicht möglich
ist", sagte Wissing. "Dass ein Schaden entstanden ist, steht außer Frage. Den
kann man ja präzise beziffern. Für eine rechtliche Verantwortung und damit einen
Regress müssen aber noch weitere Voraussetzungen vorliegen. Diese soll das
Gutachten herausarbeiten und dann prüfen, ob sie im konkreten Fall vorliegen."

Wissing sagte, natürlich brauche man für eine Regressforderung eine
Rechtsgrundlage. "Das muss man sich anschauen. Aber ich möchte mich nicht dem
Vorwurf aussetzen, das nicht mit aller Sorgfalt getan zu haben. Und deswegen
lassen wir das jetzt durch ein externes Gutachten klären. Dann wissen wir alle
Details und können dann auch der Öffentlichkeit erklären, warum wir so oder so
entscheiden und können uns dann auch auf eine externe Bewertung beziehen. Das
ist eine Frage der Sorgfalt."

Eine Regressforderung gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig. Der
Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schrieb 2019 in einer Analyse, Artikel
34 des Grundgesetzes sehe die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz
oder grober Fahrlässigkeit Regress beim "handelnden Amtswalter" zu nehmen. Diese
Möglichkeit bedürfe eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen
Grundlage. Im Verhältnis zu Bundesbeamten habe der Gesetzgeber eine Regelung
geschaffen. Das für Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz sehe eine
solche Rückgriffsmöglichkeit jedoch nicht vor.

Der CSU-Politiker Müller sagte, Scheuer habe bei der Pkw-Maut als damaliger
Bundesverkehrsminister einen Gesetzesbeschluss des Bundestages umzusetzen
gehabt, dies müsse Wissing als Jurist eigentlich wissen. "Das Sommerloch scheint
groß zu sein, wenn Volker Wissing zum wiederholten Male mit der gleichen dünnen
Ankündigung Schlagzeilen machen will."

Der CSU-Rechtsexperte Michael Frieser sagte der "Rheinischen Post"
(Dienstag): "Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, ein Mitglied des
Bundeskabinetts, auch kein ehemaliges, in Haftung zu nehmen. Es ist völliger
Mumpitz zu glauben, daraus irgendetwas konstruieren zu können." Wissing versuche
davon abzulenken, dass er einem Vergleich zugestimmt habe, für den er weder
einen Auftrag noch eine Ermächtigung gehabt habe. Auch gebe es für das Gutachten
keine Grundlage.

Scheuer war Minister, als die Maut 2019 platzte. Zentraler Knackpunkt war,
dass dem Modell zufolge nur inländische Fahrer für Mautzahlungen voll bei der
Kfz-Steuer entlastet werden sollten. In der Kritik stand dann auch, dass Scheuer
die Betreiberverträge bereits Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor
endgültige Rechtssicherheit beim Europäischen Gerichtshof bestand. Mit dem
Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen befasste sich in der vergangenen
Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die damalige
Opposition warf Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vor und
warnte vor Millionenkosten. Scheuer wies alle Vorwürfe zurück.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar sagte, bei einer
Viertelmilliarde Euro Schaden müsse selbstverständlich sauber und ernsthaft
nachgeprüft werden, inwieweit auch eine persönliche Verantwortung und Haftung
bestehe. Generell sollte die Verantwortung bei "Rechtsbrüchen" durch politische
Beamte wie Minister klarer geregelt werden, deutlich über Fälle wie die Pkw-Maut
hinaus./hoe/DP/stw
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