22.05.2024 07:45:02 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Mörderische Ikonen - Bonnie und Clyde starben vor 90 Jahren

DALLAS (dpa-AFX) - Vor 90 Jahren fand das vielleicht berühmteste
Katz-und-Maus-Spiel der US-amerikanischen Geschichte in einem Kugelhagel sein
Ende: Im Nirgendwo des US-Bundesstaates Louisiana wurden Bonnie Parker und Clyde
"Champion" Barrow von einer Gruppe Polizisten überrascht, die nahe der Ortschaft
Sailes aus einem Hinterhalt hervortraten. Bevor der Ford DeLuxe des Duos zum
Stehen kann, durchsiebten die Polizisten den Wagen mit weit über hundert Kugeln
? und töteten so am 23. Mai 1934 das berühmte Gangsterpaar.

Neun Jahrzehnte sind seit dem grausigen Ende der beiden Kriminellen aus
Texas vergangen, doch bis heute sind die beiden legendär. Zahlreiche Bücher,
Filme und Lieder erzählen von ihren ruchlosen Taten. Vor allem Arthur Penns Film
"Bonnie und Clyde" (1967) mit Warren Beatty und Faye Dunaway hat dem
Verbrecherpärchen Kultstatus verschafft. Und die Toten Hosen sangen 1996: "Leg
deinen Kopf an meine Schulter/Es ist schön, ihn da zu spür'n/Und wir spielen
Bonnie und Clyde/ Komm, wir klauen uns ein Auto/ Ich fahr dich damit rum/Und wir
spielen Bonnie und Clyde".

Doch wer war dieses oft idealisierte Paar, das keineswegs nur für ein paar
kleinere Delikte gejagt wurde, sondern eine Reihe von Morden zu verantworten
hatte? Kennengelernt hatten sich die beiden 1930. Sie waren beide Anfang 20,
kamen aus ärmlichen Verhältnissen in den Slums von Dallas und träumten von einem
besseren Leben. Bonnie Parker, eine künstlerisch begabte und ambitionierte Frau,
hatte eine zerbrochene Ehe hinter sich; ihr Mann saß wegen Mordes im Gefängnis.
Clyde "Champion" Barrow verdingte sich als Gauner und Gelegenheitsdieb.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Doch bald darauf kommt Clyde für zwei
Jahre hinter Gitter. Als er wieder freigelassen wird, ist er ein verbitterter,
rachsüchtiger Mann. Er will lieber sterben als nochmals ins Gefängnis. Und setzt
alles daran, dem texanischen Justizsystem heimzuzahlen, was ihm in dem
"dreckigen Höllenloch" angetan wurde.

Die gemeinsame Kriminalkarriere beginnt: Zu zweit oder mit Komplizen schlägt sich das Pärchen in geklauten Autos durchs Land. Jedes Mal, wenn ihnen das Geld
ausgeht, inszenieren die beiden einen Überfall, und immer öfter greift Clyde
dabei zur Pistole. Bis die Polizei am Tatort auftaucht, sind die beiden wie vom
Erdboden verschluckt. Zeitungen quer durchs Land berichten fasziniert von der
Verfolgung.

Das Blatt wendet sich erst, nachdem die Bande Anfang 1934 fünf Gefangene aus Clydes verhasstem Gefängnis befreit. Die Polizei tut sich über die Grenzen der
Bundesstaaten hinweg zusammen und setzt zu einer koordinierten Jagd an. Und als
die beiden am besagten Morgen des 23. Mai von einer Party zurückkehren, locken
die Beamten sie am Rand einer Überlandstraße in einen Hinterhalt und eröffnen
das Feuer.

Am Ende bleibt eine Bilanz von mehr als einem Dutzend Morden, einigen
Banküberfällen sowie zahllosen Autodiebstählen und Einbrüchen. Dabei gingen
Bonnie und Clyde oft dilettantisch vor, hatten aber schon zu Lebzeiten eine Art
Kultstatus: Trauben von Menschen fanden sich am entlegenen Tatort ein. Einer der
Schaulustigen schnitt Bonnie eine Locke ab und nahm einen Fetzen ihres
blutgetränkten Kleides als Souvenir mit. Ein anderer versuchte, Clyde das Ohr
abzutrennen. Der Gerichtsmediziner musste die "zirkusähnliche Atmosphäre", wie
er schimpfte, mit einem Machtwort beenden.

Was die beiden zu Idolen weit über ihre Generation hinaus machte, liegt nach Ansicht von Forschern zum Teil in der Zeit ihrer Taten während der
Weltwirtschaftskrise begründet. Viele konnte sich mit Bonnie und Clyde als
Rebellen gegen das System und die grassierende Armut identifizieren. Manchen
erschienen sie ein wenig wie Robin Hood
- als Rächer für das Versagen des Staates.

Dass auch noch Liebe im Spiel war, machte die Sache sicher noch reizvoller
und die Medien feuerten die Sehnsucht erzeugende Erzählung von Freiheit und
Selbstbestimmung weiter an. Schließlich verkaufte sich das Narrativ gut, auch in
Filmen und Musik - zumal sich das ebenso junge wie kompromisslose Liebespaar gut
vor der Kamera verkaufte, wenn sie zum Beispiel mit Autos und Waffen posierten.

Am Ende gaben Bonnie und Clyde Millionen US-Amerikanern eine Story zum
Träumen - obwohl sie Leben von Menschen beendeten und Familien zerstörten. Ihr
letzter Wunsch war es, gemeinsam begraben zu werden: "Eines Tages werden sie
zusammen untergehen, und man wird sie Seite an Seite begraben", heißt es in
einem Gedicht, das Bonnie ihrer Mutter beim letzten Besuch gab. Doch den
Gefallen tut die Familie ihr nicht ? Bonnie und Clyde werden in Dallas auf zwei
verschiedenen Friedhöfen beerdigt. Auf seinem Grabstein steht: "Gegangen, aber
nicht vergessen"./scb/DP/zb

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