16.07.2024 11:31:20 - dpa-AFX: POLITIK: Was bedeutet das Verbot des 'Compact'-Magazins?

BERLIN/FALKENSEE (dpa-AFX) - Mit dem rechtsextremen "Compact"-Magazin hat
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein Unternehmen verboten, das Minister
als "Verbrecher" beschimpft und sich selbst als "Stimme des Widerstands"
bezeichnet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Verbot:

Wofür ist "Compact" bekannt?

Seit 2010 erscheint das im Boulevard-Stil aufgemachte "Compact"-Magazin
monatlich. Sein Chefredakteur Jürgen Elsässer tritt zudem bei Veranstaltungen
auf. Durch Videos und Online-Angebote erreicht das Medienunternehmen inzwischen
auch über den Kreis der Magazin-Leser hinaus ein größeres Publikum. Das Magazin
spricht beispielsweise von einer "Asylbombe". Auf einem Titelbild wurde kürzlich
behauptet, dass "deutsche Generale den Angriff auf Russland planen". Unlängst
zeigte "Compact" den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke neben dem
früheren US-Präsidenten Donald Trump mit der Schlagzeile "2024 Die Wende".
Führende Politiker werden in dem Magazin immer wieder als "Verbrecher"
beschimpft - mit Ausnahme von Vertretern der AfD.

Womit begründet Faeser das Verbot?

Ihr Ministerium ist zu dem Schluss gekommen, dass Menschen durch
Publikationen und Veranstaltungen von "Compact" aufgewiegelt und "zu Handlungen
gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden" können. Dabei verweist es
auf "antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche,
geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte". Das
Medienunternehmen agitiert nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht nur
gegen die Bundesregierung, sondern auch "allgemein gegen das politische System".

Laut Innenministerium bedient sich "Compact" einer "Widerstands- und
Revolutionsrhetorik" und nutzt "verzerrende und manipulative Darstellungen".

Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot - laut
Innenministerium können auch Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen
darüber verboten werden.

Was ist jetzt genau verboten?

Der Verkauf des Magazins, die Website sowie Symbole, die dem Magazin
zugeordnet werden. Dazu gehört auch die "Blaue Welle". Dieses noch relativ neue
Symbol hat Chefredakteur Elsässer für eine Kampagne gewählt, mit der er einen
Regierungswechsel nach der nächsten Bundestagswahl im September 2025 befördern
wollte. Blau ist die Farbe der AfD, deren Vertreter allerdings teilweise
Bedenken gegen die Kampagne geäußert hatten, wohl weil man eine mögliche neue
Parteispenden-Affäre befürchtete.

Wie viel Einfluss hat "Compact"?

Nach eigenen Angaben hat das Magazin eine Auflage von etwa 40.000
Exemplaren, was allerdings nicht unabhängig überprüft ist. Compact TV hat bei
YouTube 345.000 Abonnenten. Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums ist
"Compact" ein "zentraler Akteur bei der Vernetzung der "Neuen Rechten"". Mit
"Neue Rechte" wird eine Szene beschrieben, die Vorstellungen von einem ethnisch
homogenen, Staat mit autoritären Zügen vertritt und sich gleichzeitig von
Rechten absetzt, die sich auf den Nationalsozialismus berufen.

Enge Verbindungen unterhält das Medienunternehmen unter anderem zur
rechtsextremistischen Identitären Bewegung sowie zur Rechtsaußen-Strömung der
AfD. Laut Verfassungsschutz gehört auch die Regionalpartei "Freie Sachsen" zum
engeren Kreis.

Wer ist Jürgen Elsässer?

Der 67-Jährige hat eine bewegte politische Geschichte hinter sich. Als Autor und Aktivist war der frühere Lehrer einst im ganz linken Spektrum verortet. Nach
2005 bewegte sich Elsässer immer weiter in Richtung Rechtsaußen. Während andere
Journalisten bei Parteitagen der AfD gelegentlich auf offener Bühne angegangen
werden, bewegt sich der "Compact"-Chefredakteur dort wie ein Fisch im Wasser.

"Natürlich ist die AfD ein wichtiger Faktor", sagte er unlängst bei einer
Veranstaltung unter freiem Himmel im thüringischen Sonneberg. Zugleich äußerte
er gewisse Sympathien für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie für den
russischen Präsidenten Wladimir Putin, den er als "Staatsmann, der sich für sein
Volk, sein Land und seinen Staat einsetzt", bezeichnet.

Hat das Verbot Auswirkungen für die AfD?

Nicht direkt, aber vor allem dem Rechtsaußen-Flügel der Partei geht dadurch
eine Plattform für die Verbreitung seiner Inhalte verloren. Der
AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun, der dieser Strömung nicht zugerechnet
wird, schreibt bei X: "Compact-Elsässer hat gegen mich primitiv gepöbelt."
Dennoch unterstütze er "Compact" gegen das, wie er sagt, "verfassungswidrige
Verbot".

Die Bundesgeschäftsführerin der Partei Die Linke, Katina Schubert, meint,
nun sei die Prüfung eines AfD-Verbots "unumgänglich". Sie findet: "Das Verbot
vom rechten Hetzblatt darf nicht nur ein symbolischer Paukenschlag bleiben." Die
AfD wird aktuell vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall
beobachtet. Ob perspektivisch eine Einstufung der Gesamtpartei als gesichert
rechtsextremistische Bestrebung durch den Inlandsgeheimdienst folgen könnte, ist
momentan noch nicht absehbar.

Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sind als einzige Verfassungsorgane
jeweils berechtigt, einen Antrag auf ein Parteiverbot zu stellen. Die
Entscheidung über einen solchen Antrag trifft das Bundesverfassungsgericht. Eine
Voraussetzung ist, dass man der jeweiligen Partei eine aggressiv-kämpferische
Haltung nachweisen kann.

Wie ungewöhnlich ist ein Medien-Verbot?

Das kommt relativ selten vor - in solchen Fällen muss die Pressefreiheit
abgewogen werden gegen die Argumente, die für ein Verbot sprechen. In seiner
Zeit als Bundesinnenminister hatte Thomas de Maizière (CDU) 2016 die
rechtsextremistische Internetplattform "Altermedia Deutschland" verboten.
Ex-Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) machte 2019 die Mezopotamien Verlag
und Vertrieb GmbH und die MIR Multimedia GmbH als Teilorganisationen der
kurdischen Arbeiterpartei PKK dicht./abc/DP/nas

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