03.07.2024 06:35:11 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Nach TV-Debakel: Druck auf Biden in eigener Partei wächst

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WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach Joe Bidens desaströsem Auftritt beim
Fernsehduell gegen seinen Konkurrenten Donald Trump wächst der Druck auf den
US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen. Ein erster demokratischer
Abgeordneter aus dem US-Repräsentantenhaus forderte Biden öffentlich auf, aus
dem Rennen um die Präsidentschaft auszusteigen und Platz für einen anderen
Kandidaten zu machen. Weitere Kritiker könnten folgen. Auch die demokratische
Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi meldete sich zu Wort.

Biden selbst will den Grund für seinen verpatzten Auftritt im TV-Duell gegen Herausforderer Donald Trump ausgemacht haben: Müdigkeit. Der 81-Jährige
begründete seinen schwachen Auftritt mit Erschöpfung nach einer Reihe
anstrengender Auslandsreisen. Bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat
Virginia sagte er laut mitreisenden Journalisten, er sei kurz vor der TV-Debatte
faktisch mehrmals um die Welt gereist, was "nicht sehr klug" gewesen sei. Er
habe nicht auf seine Mitarbeiter gehört - "und dann bin ich auf der Bühne fast
eingeschlafen". Das sei zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung.

In Bidens Terminkalender standen im vergangenen Monat tatsächlich zwei große Auslandsreisen. Zuerst war er Anfang Juni bei einer Gedenkveranstaltung zur
Landung der Alliierten in der Normandie in Frankreich. Direkt im Anschluss
absolvierte Biden einen Staatsbesuch in Paris, bei dem ihn Frankreichs Präsident
mit großem Programm empfing. Dann flog er zurück in die USA - um nur wenige Tage
später, Mitte Juni, wieder nach Italien zum G7-Gipfel zu reisen. Von dort aus
ging es wiederum über neun Zeitzonen zurück an die US-Westküste, wo er in Los
Angeles an einer exklusiven Spendengala für seinen Wahlkampf teilnahm.

Am 17. Juni empfing Biden in Washington Nato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg. Ab dem 20. Juni weilte er schließlich in Camp David - dem Landsitz
des US-Präsidenten nahe der Hauptstadt. Dort bereitete sich Biden mit seinem
Team auf die Debatte vor und absolvierte rund eine Woche lang keine öffentlichen
Termine.

Weißes Haus geht die Offensive

Auch das Weiße Haus bemühte sich, Zweifel an Bidens Eignung für das Amt zu
zerstreuen und seinen verpatzten Auftritt im Fernsehen so gut es geht vergessen
zu machen. Der Präsident habe eben einen schlechten Abend gehabt, betonte die
Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, bei einer Pressekonferenz.
"Wir werden ein neues Kapitel aufschlagen", sagte sie. Biden werde die Menschen
in den USA bei Ortsterminen selbst von seinen Qualitäten überzeugen.

In den kommenden Tagen wolle sich Biden zudem mit demokratischen
Kongressmitgliedern und Gouverneuren treffen, kündigte Jean-Pierre an. Geplant
seien auch ein Fernsehinterview, Wahlkampfauftritte und in der kommenden Woche
eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in Washington. Biden selbst gab sich bei
einem Termin in Washington bestens gelaunt und selbstbewusst. Seine Ansprache
las er wie üblich von einem Teleprompter ab.

Abgeordneter fordert Biden "respektvoll" zum Rückzug auf

In den vergangenen Tagen hatten sich die bekanntesten Gesichter der Partei
mit harscher öffentlicher Kritik zurückgehalten. Lloyd Doggett, demokratischer
Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses aus Texas, meldete sich nun als erster
Parlamentarier aus Bidens Partei mit einer Rückzugsforderung öffentlich zu Wort.

Es falle ihm nicht leicht, seine Vorbehalte öffentlich zu machen, schrieb
Doggett in einer Stellungnahme, aus der US-Medien zitierten. Anders als Trump
habe Biden immer den Interessen des Landes gedient und nicht seinen eigenen. Er
hoffe, der Präsident werde die schwierige und schmerzhafte Entscheidung treffen,
seinen Rückzug anzutreten, so Doggett. "Ich fordere ihn respektvoll auf, dies zu
tun."

Dem Portal "Axios" zufolge wollen Großspender der Demokraten angesichts
schwindender Hoffnungen auf einen Wahlsieg Bidens ihre Strategie vor der
Abstimmung im November ändern, bei der auch über die Neuverteilung vieler Sitze
im Repräsentantenhaus und Senat entschieden wird. Demnach wollen sie ihre
Unterstützung nun eher auf demokratische Kandidatinnen und Kandidaten für den
Kongress konzentrieren, um dort Mehrheiten zu sichern, damit Trump im Falle
eines Wahlsiegs nicht ungehindert durchregieren kann.

Pelosi: Frage nach Patzer "berechtigt"

Die ehemalige Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi,
verteidigte Biden und attestierte ihm in einem Interview mit dem US-Sender MSNBC
"Urteilsvermögen und strategisches Denken".

Auf Nachfrage sagte die Demokratin auch, dass es eine "berechtigte Frage"
sei, ob es sich bei Bidens Patzer im TV-Duell "nur um eine Episode oder einen
Zustand" gehandelt habe. Allerdings müssten beide Kandidaten in der Frage nach
ihrer Eignung für das Präsidentenamt einer gleichermaßen kritischen Betrachtung
unterzogen werden. Pelosi betonte, es sei schwer, mit Trump zu debattieren, da
der republikanische Ex-Präsident andauernd lüge.

Quertreiber Manchin drohte wohl mit öffentlichem Bruch

Einem Bericht der "Washington Post" zufolge hatte der Senator Joe Manchin
unmittelbar nach dem TV-Duell angedroht, öffentlich mit Biden zu brechen.
Manchin, der als Quertreiber bekannt ist, hat den Demokraten zwar kürzlich den
Rücken gekehrt, stimmt als unabhängiger Senator aber weiterhin in vielen Fragen
mit seiner ehemaligen Partei ab.

Dem Bericht zufolge änderte Manchin seinen Konfrontationskurs unter anderem
auf Drängen des demokratischen Minderheitsführers im Senat, Chuck Schumer. Die
Zeitung zitierte einen nicht namentlich genannten Vertreter der demokratischen
Partei mit den Worten: "Niemand will der Erste sein, der Julius Cäsar ersticht."

Treffen mit Gouverneuren auf der Agenda

Der US-Sender CBS berichtete, Biden werde sich bereits am heutigen Mittwoch
mit demokratischen Gouverneuren verschiedener Bundesstaaten treffen, um sich
deren Unterstützung zu sichern. Zuvor hatte der Sender CNN unter Berufung auf
mit der Situation vertraute Personen berichtet, mehrere Gouverneure hätten zu
Wochenbeginn miteinander telefoniert, um ein solches Treffen zu vereinbaren.

Nach einem Bericht der "Washington Post" soll es heute noch eine weitere
Krisenbesprechung geben: Der Stabschef des Weißen Hauses, Jeff Zients, wolle mit
allen Mitarbeitern des Präsidenten eine Telefonkonferenz abhalten, hieß es.
Darin solle betont werden, wie wichtig es sei, die Arbeit trotz des Gegenwinds
fortzusetzen. Auch an Bidens Team in der Regierungszentrale, das sich
normalerweise nicht in Wahlkampfangelegenheiten einmischt, dürften die
vergangenen Tage nicht spurlos vorbeigegangen sein./trö/DP/zb

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