17.05.2024 16:30:40 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Bundesrat billigt neues Namensrecht und Selbstbestimmung

(neu: weitere Details.)

BERLIN (dpa-AFX) - Namensrecht, Klimaschutznovelle, Selbstbestimmungsgesetz
- der Bundesrat hat am Freitag hinter eine Reihe von Gesetzen der
Ampel-Koalition einen Haken gesetzt. Der Vermittlungsausschuss erhielt keine
zusätzliche Arbeit. Fußballfans dürfte vor allem freuen, dass die Länderkammer
auch die Ausnahmen vom Lärmschutz für Public-Viewing-Veranstaltungen zur
bevorstehenden Europameisterschaft abgesegnet hat.

Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) würdigte zum Auftakt das vor 75 Jahren verkündete Grundgesetz und verteidigte die dort verankerte föderale
Ordnung Deutschlands. Die Länder und der Bundesrat seien ein Gegengewicht zu
einer zu starken Stellung der Bundesregierung, sagte die Ministerpräsidentin von
Mecklenburg-Vorpommern. Gleichzeitig arbeiteten sie konstruktiv an der
Gesetzgebung des Bundes mit. "Und das hat sich bewährt."

Den Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den Überfall Hitler-Deutschlands
auf Polen vor 85 Jahren nahmen die ostdeutschen Ministerpräsidenten zum Anlass,
für eine Stärkung der Beziehungen zum östlichen Nachbarn zu werben. Gemeinsam
mit Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein brachten sie eine Entschließung
ein, in der unter anderem eine stärkere Unterstützung des deutsch-polnischen
Jugendwerks und mehr Geld für Sprachunterricht verlangt wird. Das Weimarer
Dreieck zur Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen soll
wiederbelebt werden. "Lasst uns durch die Warschauer Brille auf Europa schauen",
sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Die wichtigsten Beschlüsse des Bundesrats:

Mehr Freiheiten im Namensrecht

Bei der Wahl des Nachnamens wird es vom 1. Mai 2025 an mehr Freiheiten
geben. Nach dem vom Bundesrat gebilligten Gesetz ist es Ehepartnern dann
erlaubt, einen gemeinsamen Doppelnamen zu führen - mit oder ohne Bindestrich.
Kinder können einen Doppelnamen auch dann führen, wenn die Eltern sich gegen
einen gemeinsamen Ehenamen entscheiden. Bisher kann nur ein Ehepartner einen
Doppelnamen führen, Kinder können das in der Regel nicht. Neu ist auch: Der
erste Familienname, den Eltern für ein gemeinsames Kind festlegen, gilt dann
auch für alle weiteren gemeinsamen Kinder des Paares. Wenn die Eltern nach der
Geburt ihres Kindes zunächst keinen Familiennamen festlegen, erhält das Kind
automatisch einen Doppelnamen.

Leichtere Änderung des Geschlechtseintrags

Vor allem transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre
Menschen werden aufatmen - für sie wird es künftig erheblich einfacher sein, den
Geschlechtseintrag und den Vornamen behördlich ändern zu lassen. Dazu ist dann
nur noch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt nötig. Eine
Gerichtsentscheidung und zwei Sachverständigengutachten, die bisher erforderlich
waren, braucht es künftig nicht mehr. Das bislang geltende aufwendige Verfahren
nach dem mehr als 40 Jahre alten Transsexuellengesetz sei entwürdigend gewesen,
sagte Hamburgs Vize-Regierungschefin Katharina Fegebank (Grüne) im Bundesrat.
Für viele sei es "ein großer Tag für ein freieres und für ein selbstbestimmteres
Leben".

Neues Verfahren bei Klimaschutz-Bewertung

Die von der Länderkammer abgesegnete Novelle des Klimaschutzgesetzes sieht
vor, dass es künftig eine mehrjährige und sektorenübergreifende
Gesamtbetrachtung des Ausstoßes von Treibhausgas geben soll. Damit entfällt die
bisherige sektorale Betrachtungsweise. Das freut vor allem
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), weil der Verkehrssektor seine Ziele
bisher regelmäßig verfehlt hat. An den Klimazielen selbst ändert die Novelle
nichts. Deutschland soll weiterhin bis 2045 treibhausgasneutral werden. In einer
Entschließung forderte die Länderkammer eine Pflicht zum Nachsteuern, wenn
Deutschland seine Klimaziele erkennbar verfehlen sollte.

Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten

Das Strafgesetzbuch erhält einen neuen Straftatbestand: die unzulässige
Interessenwahrnehmung. Dabei geht es um die Bestechlichkeit und Bestechung von
Abgeordneten. Bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe drohen nun Mandatsträgern, die
für Handlungen, die sie während des Mandates vornehmen, eine ungerechtfertigte
finanzielle Gegenleistung fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Wer
eine solche finanzielle Gegenleistung verspricht oder gewährt, wird in gleicher
Weise bestraft. Die Regeln sind eine Reaktion auf die Maskenaffären während der
Corona-Pandemie. Sie gelten für den Bundestag, die Landtage, das Europaparlament
und die Mitglieder der parlamentarischen Versammlungen von internationalen
Organisationen wie dem Europarat.

Beteiligung des Bundes an Kita-Finanzierung

In einer angenommenen Erschließung forderten die Länder den Bund auf, sich
auch über das laufende Jahr hinaus an der Finanzierung einer besseren
Kita-Qualität zu beteiligen. "Der Bund muss die Länder und Kommunen verlässlich
unterstützen", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).
Es handele sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Der Bund muss
dauerhaft die Standards mitbezahlen, die er haben möchte und die er sich in
bilateralen Vereinbarungen von den Ländern hat unterzeichnen lassen." Das
Problem für die Länder: Nach derzeitigem Stand läuft die finanzielle Beteiligung
des Bundes am sogenannten Gute-Kita-Gesetz zum Jahresende aus.

Strafbarkeit von politischem Stalking

Zum Schutz vor allem von Kommunalpolitikern wollen die Länder einen weiteren neuen Straftatbestand schaffen: politisches Stalking. Darunter verstehen sie zum
Beispiel nächtliche Fackelaufmärsche vor dem Haus von Politikern, Drohschreiben
und andere Einschüchterungsversuche. Austeilen und Einstecken gerade in
Wahlkämpfen gehöre für Politiker dazu, sagte Sachsens Justizministerin Katja
Meier (Grüne). "Was dagegen völlig inakzeptabel ist und was sich niemand
gefallen lassen muss, sind Einschüchterungs- und Bedrohungsversuche, die nichts
mehr mit politischer Diskussionskultur zu tun haben." Der Gesetzesantrag des
Landes Sachsen wird nun erst einmal in den Ausschüssen des Bundesrates beraten.

Public Viewing bei Fußball-EM

Fußballfans können sich freuen: Dem Mitfiebern mit der Nationalmannschaft
unter freiem Himmel nach 22 Uhr steht nichts mehr im Weg, wenn am 14. Juni die
Europameisterschaft der Männer beginnt. Die Länderkammer stimmte einer
Verordnung der Bundesregierung zu, in der Lärmschutzfragen geregelt sind.
Kommunen können Public-Viewing-Veranstaltungen auf Marktplätzen oder in Parks
damit auch dann genehmigen, wenn sie bis in die Nachtstunden gehen. Das betrifft
die 26 der insgesamt 51 Spiele, bei denen der Anstoß erst um 21 Uhr
erfolgt./sk/DP/men

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