28.06.2024 06:26:06 - dpa-AFX: POLITIK: Boliviens Präsident Arce weist Verschwörung mit Putschisten zurück

LA PAZ (dpa-AFX) - Nach dem gescheiterten Staatsstreich in Bolivien ist
Präsident Luis Arce dem Vorwurf entgegengetreten, mit den Verschwörern unter
einer Decke zu stecken. Die Putschisten hätten auf eigene Faust gehandelt, sagte
der Präsident am Donnerstagabend (Ortszeit) bei seiner ersten Pressekonferenz
nach dem Umsturzversuch. "Ich bin kein Politiker, der seine Popularität durch
das Blut des Volkes gewinnen will."

Am Mittwoch hatten abtrünnige Militärs mit gepanzerten Fahrzeugen den
zentralen Platz von La Paz besetzt und waren in den Regierungspalast
vorgedrungen. Präsident Arce bot den Putschisten die Stirn und tauschte sofort
die gesamte Führungsriege der Streitkräfte aus. Die neuen Chefs der
Teilstreitkräfte ordneten daraufhin den Rückzug der Truppen an.

Insgesamt wurden nach dem Putschversuch 17 Militärs festgenommen. "Wir
werden dieses antidemokratische Netzwerk stoppen, wir werden nicht ruhen, bis
alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Es ist an der Zeit, die
Putschisten von der Straße zu holen und sie hinter Gitter zu bringen", sagte
Boliviens Innenminister Eduardo del Castillo auf einer Pressekonferenz.

Den Putschisten drohen bis zu 30 Jahre Haft

Zu den Festgenommenen zählen auch die Anführer General Juan José Zúñiga und
Vizeadmiral Juan Arnez Salvador. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihnen unter
anderem bewaffneten Aufstand gegen die Souveränität des Staates und Angriff auf
den Präsidenten vor. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu 30 Jahre
Haft.

Zúñiga hatte vor seiner Festnahme behauptet, der Putsch sei mit Präsident
Arce abgestimmt gewesen. "Der Präsident hat mir gesagt, dass die Situation sehr
schlecht ist. Es sei notwendig, etwas vorzubereiten, um seine Popularität zu
steigern", sagte General Zúñiga im Fernsehen. "Ich habe ihn gefragt: "Holen wir
die Panzer raus" und er hat geantwortet: "Holt sie raus"." Die Regierung wies
die Darstellung zurück. "Das Ziel von Zúñiga war es, die Macht im Land zu
übernehmen, gegen den Willen des Volkes", sagte Innenminister Del Castillo.

Das Motiv für den Putschversuch war zunächst unklar. Möglicherweise richtete er sich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des früheren Staatschefs
Evo Morales (2006-2019). Berichten zufolge hatte Zúñiga gesagt, Morales dürfe
nicht als Präsident zurückkehren, und gedroht, sich ihm in diesem Fall in den
Weg zu stellen. Wegen dieser Äußerungen sei Zúñiga bereits am Dienstagabend
darüber informiert worden, dass er seinen Posten räumen müsse, sagte
Verteidigungsminister Edmundo Novillo.

Ex-Präsident Morales und Staatschef Arce ringen um die Macht

Der linke Staatschef Morales - der erste indigene Präsident Boliviens
- war 2019 unter dem Druck des Militärs zurückgetreten, nachdem ihm
von der Opposition und internationalen Wahlbeobachtern Betrug bei der
Präsidentenwahl vorgeworfen worden war. Obwohl ihm das in mehreren
Gerichtsentscheidungen eigentlich untersagt wurde, will Morales 2025 erneut bei
der Präsidentenwahl kandidieren. Derzeit ringen Morales und sein ehemaliger
Verbündeter Arce um die Macht in der Regierungspartei MAS.

Nach den ersten Berichten über den Putschversuch habe er seinen Rivalen
Morales sogar angerufen und gewarnt, sagte Arce nun bei seiner Pressekonferenz.
"Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten, aber das bedeutet nicht, dass ich
ihn im Falle eines Staatsstreichs nicht warne", sagte Arce. "Es war klar, dass
sie erst mich holen würden und dann ihn. Letztendlich sind wir Genossen, deshalb
habe ich ihn angerufen, damit er Vorsichtsmaßnahmen treffen kann."

Nach dem gescheiterten Putschversuch gingen zahlreiche Demonstranten zur
Unterstützung der Regierung auf die Straße. Sie errichteten zwischen dem
Regierungssitz La Paz und der höher gelegenen Schwesterstadt El Alto
Straßenblockaden, wie die Zeitung "La Razón" berichtete. "Wir werden nicht
zulassen, dass die Demokratie angegriffen wird", sagte die Bürgermeisterin von
El Alto, Eva Copa. In der Industriestadt auf 4100 Meter Höhe hat die Regierung
unter den Arbeitern und Indigenen zahlreiche Anhänger./ppz/DP/zb

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