15.05.2024 16:16:08 - dpa-AFX: HINTERGRUND/Kampf um Aufmerksamkeit: Wahlwerbung in Medien

BERLIN (dpa-AFX) - Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit: Im Superwahljahr
jagen Parteien jeder Wählerstimme hinterher. Man sieht es wieder überall: An
Laternen und auf Grünflächen Konterfeis von Politikern auf Wahlplakaten. Für
Wahlwerbung der Parteien spielen auch die Medien eine Rolle. Abends, wenn sehr
viele Leute fernsehen, gibt es wieder Wahlwerbespots zur Europawahl im Juni.
Nicht immer läuft das alles problemlos ab.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigte sich erst am Dienstag mit einem Fall einer kleinen Partei. Es lehnte einen Eilantrag der
Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) ab, die sich dagegen
wehren wollte, dass die ARD im Ersten nur eine überarbeitete Fassung ihres Spots
zuließ. Der zuständige Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) teilt mit, in der
ursprünglichen Fassung sei für ein Buch geworben worden. "Produktwerbung ist
aber in Wahlspots nicht zulässig, daher mussten wir den Spot zurückweisen." Der
RBB beruft sich dabei auf Grundsätze der ARD-Anstalten für die Zuteilung von
Sendezeiten an Parteien anlässlich der Europawahl. Der überarbeitete Clip lief
am Dienstabend.

REGELWERKE

Es gibt für Wahlwerbung zahlreiche Regeln, vor allem für den
öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk. Vor Wahlen zum Deutschen Bundestag
und zum Europäischen Parlament sind bundesweit zugelassene Rundfunkveranstalter
verpflichtet, den Parteien angemessene Sendezeiten einzuräumen, wie die
Medienregulierer in einem Leitfaden für die Privaten ausführen. Auch in
Staatsverträgen für die Öffentlich-Rechtlichen sind solche Regeln zu finden.

Beispiel Privatradio. Die Antenne Bayern Group hält sich nach eigenen
Angaben strikt an die Wahlwerbesatzung, die für private Radioveranstalter in
Bayern gilt. Gemäß Medienstaatsvertrag sei politische Werbung für
Radioveranstalter grundsätzlich verboten - außer unmittelbar vor Wahlen. In
diesen Ausnahmefällen sei sie unter Einhaltung bestimmter Kriterien, wie
zulässigen Höchstwerbezeiten und dem Grundsatz der Gleichbehandlung, erlaubt.
"Im Sinne der Gleichbehandlung nehmen wir Werbung aller Parteien an, die zur
Wahl zugelassen sind", hieß es von der Radio-Gruppe. Eine Ablehnung einzelner
zugelassener Parteien sei nicht zulässig.

Fernsehsender blenden vorab die Info ein, dass der Zuschauer Wahlwerbung
sehe und für den Inhalt ausschließlich die jeweilige Partei beziehungsweise
politische Vereinigung verantwortlich sei.

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa geht davon aus, dass für die
Vermittlung politischer Inhalte die klassischen Medien nach wie vor eine
wichtigere Rolle als die sozialen Medien spielen. Vor allem, weil sie generell
als viel glaubwürdiger eingeschätzt würden.

WIE GEHT DIE PRESSE MIT PARTEIENWERBUNG UM?

Im Pressekodex als Orientierung für Redaktionen gebe es keine speziellen
Leitlinien für Werbung politischer Parteien, heißt es vom Deutschen Presserat,
der die freiwillige Selbstkontrolle von Zeitungen, Zeitschriften und
Online-Medien ist. "Sorgfaltsverstöße bei der Kennzeichnung von Parteiwerbung
sind vorgekommen, es handelt sich aber nicht um ein Dauerthema."

Medienhäuser gehen unterschiedlich mit Anzeigen von Parteien um.
"Grundsätzlich nehmen wir keine Wahlwerbung bei t-online.de an", heißt es vom
Konzern Ströer, zu dessen Portfolio das Nachrichtenportal zählt. Der
Medienkonzern Axel Springer ("Bild", "B.Z.", "Welt") teilt mit: "In
Übereinstimmung mit unseren Werten lehnen wir seit vielen Jahren Anzeigen von
extremistischen Parteien ab. Dazu gehört auch die AfD." Davon unberührt bleibe
die redaktionelle Berichterstattung.

Von der Madsack Mediengruppe, die zahlreiche Regionalzeitungen (darunter
"Hannoversche Allgemeine Zeitung", "Leipziger Volkszeitung") im Portfolio hat,
heißt es: Wenn Parteien Werbung schalten, müsse diese vom Leser eindeutig als
Werbung wahrgenommen werden. "Daher lassen wir beispielsweise keine Anzeigen von
Parteien auf den Titelseiten oder den Startseiten der digitalen
Nachrichtenportale zu." Die Veröffentlichung von Anzeigen mit strafbaren oder
sonst rechtswidrigen Inhalten lehne man ebenso ab wie beispielsweise
rassistische oder diffamierende Werbung. "Werbung für oder von
verfassungsfeindlichen Parteien darf in unseren Medien ebenfalls nicht
veröffentlicht werden. Aufgrund der tatsächlichen Anhaltspunkte für
verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD veröffentlichen wir daher
auch keine Anzeigen der AfD."

Ein AfD-Sprecher teilt mit, man habe den Eindruck, dass "die Verleger uns
mit dem Nichtschalten von AfD-Anzeigen aus dem Prozess der freien
Meinungsbildung durch medial vermittelte Informationen der Medien ausschließen
wollen."

Wie schätzt Forsa-Chef Manfred Güllner das Ganze ein? "Dass verschiedene
Zeitungsmarken keine Parteienwerbung der AfD annehmen wollen, dürfte der AfD
wenig schaden", teilt er mit. "Schon frühere rechtsradikale Bewegungen hatten
ihre eigenen Kommunikationsnetze zur Indoktrination ihrer Anhänger aufgebaut."
Die AfD schaffe das heute durch die neuen Medien noch viel intensiver und
wirkungsvoller.

Der Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Marcus Maurer, gibt diese Einschätzung ab:
"Insgesamt spielen Zeitungsanzeigen für die Parteien nicht so eine große Rolle.
Wichtiger sind Wahlplakate und vielleicht TV-Spots, weil sie von viel mehr
Leuten gesehen werden."/rin/DP/men

--- Von Anna Ringle, dpa ---
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