11.07.2024 17:42:34 - dpa-AFX: ROUNDUP/Russland und China kontern Nato: 'Kriegsrhetorik'

WASHINGTON/MOSKAU/PEKING (dpa-AFX) - Russisch-chinesischer Schulterschluss
gegen die Aufrüstungspläne der Nato in Deutschland: Russland hat eine
militärische Antwort auf die am Rande des Nato-Gipfels angekündigte
Stationierung weitreichender US-Waffen angekündigt. China verurteilte am
Donnerstag den Vorwurf der Allianz, den russischen Präsidenten Wladimir Putin im
Angriffskrieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die Erklärung des
Jubiläumsgipfels der Nato zu China in Washington sei voll von Kriegsrhetorik,
Verleumdung und Provokationen.

Dagegen begründete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die geplante
Stationierung von US-Marschflugkörpern mit einer Reichweite von bis zu 2500
Kilometern mit der Bedrohung aus Russland begründet. "Wir wissen, dass es eine
unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches
Territorium bedrohen", sagte Scholz am Rande des Gipfels. Die Stationierung
weitreichender Waffen sei bereits vor einem Jahr in der ersten Nationalen
Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik festgeschrieben worden. "Deshalb passt
die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese Strategie, die wir
öffentlich diskutieren seit langer Zeit."

Die USA wollen erstmals seit dem Kalten Krieg wieder Waffensysteme in
Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Das hatten das Weiße
Haus und die Bundesregierung am Mittwoch vereinbart. Moskau ist etwa 1600
Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Von 2026 an sollen Marschflugkörper vom
Typ Tomahawk mit, Flugabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte
Überschallwaffen für einen besseren Schutz der Nato-Verbündeten in Europa
sorgen.

Zum Abschluss des dreitägigen Treffens in Washington garantierten die 32
Staats- und Regierungschef des Bündnisses dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj militärische und politische Unterstützung, die eines Tages in einem
Nato-Beitritt münden soll. Mit Blick auf China nahmen auch Vertreter aus
Indopazifik-Staaten an den Beratungen teil.

Treffen sich Orban und Trump in Florida?

Für Verärgerung im Bündnis sorgte angebliche Pläne des ungarischen
Ministerpräsidenten Viktor Orban, den Ex-Präsident Donald Trump in Florida nach
dem Gipfel zu besuchen. Eine offizielle Bestätigung für diese Medienberichte
unter anderem der "New York Times" stand aus. Die britische Zeitung "Guardian"
meldete unter Berufung auf eine Quelle aus dem Umfeld Orbans, das Treffen werde
in Trumps Residenz Mar-a-Lago stattfinden.

Trump will nach der US-Wahl im November für die Republikaner wieder ins
Weiße Haus einziehen. Der Wahlkampf gegen US-Präsidenten Joe Biden befindet sich
mitten in der heißen Phase.

Bundeskanzler Scholz (SPD) sagte dazu beim Nato-Gipfel auf Nachfrage, er
kommentiere die Reisepläne von Regierungschefs anderer Länder nicht. Der
ungarische Ministerpräsident agiere als solcher und nicht im Rahmen der
ungarischen EU-Ratspräsidentschaft.

Orban hatte bereits in den Tagen vor dem Tagen des Gipfels für Schlagzeilen
gesorgt. Im Rahmen einer als "Friedensmission" inszenierten Staaten-Tour
besuchte der Regierungschef des Nato-Landes China, Russland und die Ukraine.

US-Wahlkampf beim Gipfel: Wie schlägt sich am Ende Joe Biden?

Joe Biden stand beim Nato-Treffen unter ständiger Beobachtung, nachdem er
bei einem TV-Duell gegen Trump Ende Juni Zweifel an seiner geistigen und
körperlichen Fitness gesät hatte. Die ersten beiden Tage kam Biden als Gastgeber
nahezu pannenfrei durch. Die größten Schnitzer leistet sich Biden aber ohnehin
in der Regel nicht, wenn er Reden vom Teleprompter abliest. Schwierig wird es
für den 81-Jährigen, wenn er frei spricht. Daher steht die eigentliche
Bewährungsprobe für den US-Präsidenten auch noch aus: In der Nacht zum Freitag
will er zum Ende des Nato-Gipfels eine Pressekonferenz geben.

Moskau: Nato-Pläne "Kettenglied im Eskalationskurs"

Russland will nach Angaben des Außenministeriums militärisch auf die
geplante Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland reagieren. Die
russische Sicherheit werde durch solche Waffen beeinträchtigt, sagte
Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der staatlichen Nachrichtenagentur Tass
zufolge. Es handle sich um "ein Kettenglied im Eskalationskurs" der Nato und der
USA gegenüber Russland. "Wir werden, ohne Nerven oder Emotionen zu zeigen, eine
vor allem militärische Antwort darauf ausarbeiten."

Russland überarbeitet Atomdoktrin

Der Kreml nannte die Nato-Beschlüsse zur Ukraine eine Bedrohung der eigenen
Sicherheit und kündigte Gegenmaßnahmen an. Die Entscheidung, die Ukraine früher
oder später in die Allianz aufzunehmen, verdeutliche das Hauptziel des
Bündnisses, Russland kleinzuhalten, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow und
erwähnte einmal mehr die russische Atomdoktrin. Er bestätigte, dass an
Veränderungen gearbeitet werde. Das bisherige Leitprinzip lautet, dass Russland
Atomwaffen nur als Reaktion auf einen Atomangriff oder einer existenziellen
Gefahr für das Land bei einem konventionellen Angriff einsetzen darf.

China nennt Nato-Kritik völlig unberechtigt

China übt scharfe Kritik an der Erklärung des Nato-Gipfels. Sie übertreibe
hinsichtlich der angespannten Lage im Asien-Pazifik-Raum und sei voll von
Kriegsrhetorik, Verleumdung und Provokationen gegenüber China, sagte
Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. Die Verantwortung Chinas im Ukraine-Krieg,
die die Nato propagiere, sei ungerechtfertigt, erklärte Lin. Die Nato verbreite
falsche von den USA geschaffene Informationen, und untergrabe damit die
Zusammenarbeit zwischen China und Europa.

Ukraine-Kommando in Wiesbaden

Die Nato koordiniert künftig von Wiesbaden aus Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte. Er soll am Freitag
beginnen und dann nach und nach bislang von den USA wahrgenommene Aufgaben
übernehmen. Für das neue Nato-Kommando sollen insgesamt rund 700 Mitarbeitende
im Einsatz sein, Deutschland will davon bis zu 40 Mitarbeiter stellen, darunter
auch einen Zwei-Sterne-General als stellvertretenden Kommandeur.

Viel Geld an die Ukraine für Waffen - Weg zum Beitritt unumkehrbar

In der Gipfelerklärung wird der Ukraine zugesichert, dass sie auch innerhalb des nächsten Jahres wieder Militärhilfen im Wert von mindestens 40 Milliarden
Euro erhält. Das ist in etwa der Betrag, der auch im vergangenen Jahr
mobilisiert werden konnte. Die Zusage entspricht nicht der mehrjährigen
Verpflichtung, die der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg
ursprünglich gefordert hatte. Beim Streitthema Nato-Beitrittsperspektive gibt es
einen Kompromiss. Das Bündnis sichert der von Russland angegriffenen Ukraine
zudem zu, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr
aufgehalten werden kann. Sicherheitssektors./aha/DP/men

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