21.06.2024 06:04:37 - dpa-AFX: Stahl-Streit: Krupp-Stiftung findet IG Metall-Äußerungen 'beschämend'

ESSEN/DUISBURG (dpa-AFX) - Im Streit über die Zukunft der Thyssenkrupp
-Stahlsparte hat die Krupp-Stiftung die Kritik hochrangiger IG
Metall-Funktionäre mit scharfen Worten zurückgewiesen und von
"Falschbehauptungen" gesprochen. In einem der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
vorliegenden Brief der Stiftung an den IG Metall-Vize Jürgen Kerner und den
früheren IG Metall-Chef Detlef Wetzel bezeichnete die Stiftung deren Äußerungen
in Interviews der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ) vom Dienstag als
"beschämend". Die Stiftung bezog sich mit dieser Bewertung auf ein Zitat
Wetzels, der der WAZ gesagt hatte: "Ich finde, es wird der Verantwortung der
Stiftung nicht gerecht, die kulturellen Interessen über das Schicksal der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Familien zu stellen."

Krupp-Stiftung: Kerner und Wetzel schaden der Firma

"Sie beschädigen damit nicht nur uns als gemeinnützige Einrichtung und als
Aktionärin, sondern auch das Unternehmen insgesamt", heißt es in dem Brief, der
auf den 20. Juni datiert ist. Unterzeichnet wurde er von der
Kuratoriumsvorsitzenden Ursula Gather sowie den Stiftungsvorständen Volker
Troche und Michaela Muylkens.

Die Stiftung sei nach ihrer Satzung zur Förderung von Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur, Gesundheit und Sport verpflichtet, schreiben sie. Seit 1968
habe sie dies vor allem aber im Ruhrgebiet mit Mitteln von bislang fast 700
Millionen Euro getan. "Diesen Stiftungsauftrag jetzt mit mangelnder Sorge um die
Thyssenkrupp Mitarbeitenden gleichzusetzen, ist eine Verdrehung der Tatsachen
und Vermischung von Sachverhalten." Wetzel hatte der WAZ gesagt: "Wir reden hier
von einer Stiftung, die sich gemeinwohlorientiert nennt. Ich sehe aber vor
allem, dass sie kulturelle Aktivitäten fördert und dafür das Geld aus
Thyssenkrupp-Dividenden einsetzen will."

Die Stiftung wies auch Äußerungen des Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats
der Stahlsparte, Tekin Nasikkol, und von Kerner, der auch stellvertretender
Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef ist, "entschieden zurück". Nasikkol hatte der
Zeitung gesagt: "Die Anteilseigner im Aufsichtsrat haben die Mitbestimmung in
einer wegweisenden Entscheidung komplett ignoriert." Nasikkol bezog sich damit
auf den neulich mit der Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden gegen die
Stimmen der Arbeitnehmerseite beschlossenen 20-Prozent-Einstieg des
tschechischen Energieunternehmens EPCG in den Stahlbereich. Kerner hatte Gather
in der "WAZ" als "große Verbündete von Herrn Lopez" bezeichnet, die bei López
stehe "und nicht bei den Mitarbeitern".

Stiftung vertraut Thyssenkrupp-Chef López

"Unsere Unterstützung des Kurses von Miguel López basiert auf dem Vertrauen
in seine Fähigkeit, den Konzern erfolgreich umzustrukturieren und somit eine
sichere Zukunft für die Mitarbeitenden zu gewährleisten", entgegnete die
Stiftung.

Die Stiftung habe über die Jahrzehnte hinweg als Hauptaktionärin immer
wieder dividendenlose Jahre in Kauf genommen, betonte die Stiftungsführung. Aus
Treue zum Unternehmen habe sie es hingenommen, dass sich das Vermögen durch den
Fall des Aktienkurses um 80 Prozent reduziert habe. "Diese Opfer haben wir immer
wieder im Interesse der langfristigen Stabilität des Unternehmens und der
Sicherung der Arbeitsplätze gebracht, weil wir daran glauben, dass Thyssenkrupp
eine Zukunft hat. Allerdings braucht es dafür Veränderungen." Die Stiftung
betonte, dass das gesamte Vermögen der Stiftung seit ihrer Gründung in der
Beteiligung am Unternehmen bestehe.

Stahlarbeiter planen Kunstprojekt an Villa Hügel

Für diesen Freitagvormittag hat die IG Metall ein Protest-Kunstprojekt an
der Villa Hügel angekündigt, dem ehemaligen Wohnhaus der Industriellenfamilie
Krupp in Essen. In einem Nebengebäude befindet sich der Sitz der Krupp-Stiftung.
Das Projekt steht unter dem Motto "Kunst oder Stahl - Das Geld muss in sichere
Arbeitsplätze fließen und nicht in die Stiftung!". Die Gewerkschaft rechnet mit
150 Stahlbeschäftigten.

Die Thyssenkrupp Stahlsparte ist Deutschlands größter Stahlhersteller. Die
Sparte, in der rund 27 000 Menschen arbeiten, steht vor einem Umbruch: Am
Standort Duisburg ist ein deutlicher Kapazitätsabbau geplant, der mit einem
Stellenabbau einhergehen wird. Vereinbart wurde außerdem ein 20-Prozent-Einstieg
des Energieunternehmens EPCG des tschechischen Investors Daniel
Kretinsky./tob/DP/stk
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
THYSSENKRUPP AG O.N. 750000 Xetra 3,991 27.06.24 17:35:26 -0,014 -0,35% 0,000 3,997 4,020 4,005

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