21.05.2024 14:55:51 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU nutzt Zinsen aus blockiertem Russland-Vermögen künftig für Ukraine

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die EU wird künftig milliardenschwere Zinserträge aus
eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank zur Finanzierung von
Militärhilfen für die Ukraine nutzen. Minister aus den EU-Staaten trafen dafür
am Dienstag in Brüssel die notwendigen Entscheidungen, wie ein Sprecher der
derzeitigen belgischen EU-Ratspräsidentschaft mitteilte. Eine politische
Verständigung auf das Vorgehen hatte es bereits vor knapp zwei Wochen gegeben.
Allein dieses Jahr sollen bis zu drei Milliarden Euro für die Ukraine
zusammenkommen.

Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen
Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut
Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen
eingenommen zu haben.

Geld für Waffen und Wiederaufbau

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine
hatten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte den
Regierungen der EU-Staaten im März übermittelt. Er sieht vor, dass 90 Prozent
der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in
den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung
geleitet werden sollen. Mit den restlichen zehn Prozent wird unter anderem der
Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur in der Ukraine finanziert werden.

Schwierig waren die Verhandlungen unter anderem, weil neutrale Staaten wie
Österreich sich nicht direkt an der Lieferung von Waffen und Munition beteiligen
wollen. Für sie wurde nun vereinbart, dass die Zinserträge zum Teil auch für
andere Finanzhilfen verwendet werden. Zudem gab es Diskussionen darüber, wie
viel Geld Euroclear für seinen Aufwand einbehalten darf. Der Betrag reduzierte
sich im Lauf der Verhandlungen von 3 Prozent auf 0,3 Prozent.

Puffer für mögliche Rechtsstreitigkeiten

Euroclear ist in der EU das mit Abstand wichtigste Institut, das
Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt. Insbesondere für den Fall,
dass ihm im Zusammenhang mit möglichen Rechtsstreitigkeiten über das Vorgehen
der EU Kosten anfallen, soll das Unternehmen rund zehn Prozent der zu zahlenden
Beträge sowie die bis Februar dieses Jahres angefallenen Zufallsgewinne vorerst
zurückhalten können. Die Zahlungen an die EU sollen den Angaben zufolge zweimal
im Jahr erfolgen.

Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, ist bislang nicht geplant. Als ein Grund dafür gelten rechtliche
Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits
im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder
russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann
auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem
könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass
andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz
verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Schäden in der Ukraine werden auf dreistelligen Milliardenbetrag beziffert

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die EU zuletzt mehrfach
aufgefordert, die Risiken in Kauf zu nehmen. Es sei angemessen, sowohl die
Gewinne als auch die Vermögenswerte selbst zu nutzen, um den russischen Terror
zu stoppen, sagte er zuletzt in einer Videoansprache beim EU-Gipfel im März.
Russland müsse sich der tatsächlichen Kosten des Krieges und der Notwendigkeit
eines gerechten Friedens bewusst sein.

Der stellvertretende ukrainische Regierungschef Olexander Kubrakow hatte die von Russland verursachten Kriegsschäden zuletzt auf 500 Milliarden Euro
beziffert und sich dabei auf Zahlen der Weltbank, der Europäischen Union und der
Vereinten Nationen berufen./aha/DP/ngu

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