21.05.2024 14:55:20 - dpa-AFX: POLITIK: Professoren für offeneren Umgang mit Protestcamps an Unis

BERLIN (dpa-AFX) - Mehrere Professoren haben für eine bessere Debattenkultur
und einen offeneren Umgang mit Protestcamps an Universitäten geworben. "Wir
denken in zwei Lagern und spielen die einen gegen die anderen aus", sagte Miriam
Rürup, Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums und Professorin für
europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam, am Dienstag in der
Bundespressekonferenz mit Blick auf propalästinensische Proteste an
Universitäten. Anstatt die Camps zu skandalisieren, sollten Regeln und
geschützte Räume für Diskussionen geschaffen werden.

Wer das Protestrecht unterstützt, setze sich für die Grundrechte ein, so
Rürup. Wenn diese Grundrechte infrage gestellt würden, werde auch die Grundlage
für andere geschaffen, Grundrechte infrage zu stellen, sagte sie mit Blick auf
anstehende Wahlen in Brandenburg. Die Polizei zu rufen, sei nicht die Antwort,
sondern etwa Seminare zum Nahostkonflikt.

Der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht mit Schwerpunkt Polizei- und
Versammlungsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR),
Clemens Arzt, sagte, Dialogbereitschaft sei keine Voraussetzung für eine
Versammlung. Auch das aktive Rufen von Parolen sei kein Verstoß gegen
Friedlichkeit. "Wir haben uns während Corona daran gewöhnt, dass Versammlungen
verboten werden dürfen", sagte Arzt. Er sieht eine Tendenz zu einer restriktiven
Auslegung der Versammlungsfreiheit. So könne der Präsident einer Universität
rechtlich nicht entscheiden, dass eine Versammlung aufgelöst wird.

Studierende haben das Recht zu demonstrieren, sagte Michael Wildt,
emeritierter Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit
Schwerpunkt Nationalsozialismus an der HU Berlin. Natürlich sei an Universitäten
kein Platz für Antisemitismus und Rassismus, aber durch die Polizei werde
Antisemitismus nicht abgeschafft, dies sei eine gesellschaftliche Aufgabe.

Wildt hat den offenen Brief von Lehrenden an Berliner Universitäten
unterzeichnet, ebenso wie Michael Barenboim, Professor für Ensemblespiel und
Violine an der Barenboim-Said Akademie. Barenboim meint, auch Palästinenser
haben das Recht auf Selbstbestimmung. "Für mich steht fest, die Studierenden
haben nicht nur das Recht zu protestieren, sondern sie haben recht, zu
protestieren."/aky/DP/ngu

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