24.05.2024 17:29:28 - dpa-AFX: ROUNDUP/Flugabwehr in EU: Berlin reagiert zurückhaltend auf neue Initiative

BRÜSSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat sich zurückhaltend zu
einem Vorstoß Polens und Griechenlands für ein EU-Programm für ein neues
europäisches Luftverteidigungssystem geäußert. Die stellvertretende
Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am Freitag in Berlin lediglich,
die Initiative sei zur Kenntnis genommen worden. Zudem verwies sie auf das
bereits existierende deutsche Projekt zur Stärkung der Luftverteidigung in
Europa.

An der sogenannten European Sky Shield Initiative (ESSI) sind bereits 21
Staaten beteiligt. Sie war nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen
die Ukraine gestartet worden und soll helfen, Lücken im Nato-Schutzschirm für
Europa zu schließen. Dafür ist zum Beispiel geplant, gemeinsam Bestellungen für
Flugabwehrtechnik bei der Rüstungsindustrie aufzugeben.

Bei dem polnisch-griechischen Vorstoß für ein "Europäisches
Luftverteidigungsschild" (European air defence shield) geht es nun um ein
mögliches zusätzliches EU-Projekt. In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin
Ursula von der Leyen schrieben Polens Ministerpräsident Donald Tusk und
Griechenlands Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Donnerstag, es brauche ein
Programm, das die gesamten Verteidigungsfähigkeiten der EU stärke und
europäische Verteidigungsunternehmen dazu anrege, Spitzentechnologien zu
entwickeln und in ihren Bereichen weltweit führend zu werden.

Die Entwicklung und Finanzierung eines umfassenden Systems zum Schutz des
EU-Luftraums könne zudem ein klares Signal senden, dass Europa geeint und
entschlossen sei, sich selbst zu schützen, erklären sie.

Die aktuellen Luftverteidigungsfähigkeiten der EU bezeichnen Tusk und
Mitsotakis in dem Brief als "große Schwachstelle unserer Sicherheit". Das neue
Luftverteidigungssystem könne als Schutzschild für die Bürger und Streitkräfte
dienen, falls die Abschreckung versage, erklären sie in dem Brief, der der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Nato und die deutsche Initiative werden
dort nicht erwähnt.

Von beteiligten Diplomaten hieß es am Freitag, das von Polen und
Griechenland vorgeschlagene EU-Projekt sei als eine Ergänzung zu dem gedacht,
was die Nato in dem Bereich mache. Der neue Schutzschild solle natürlich mit
Nato-kompatibler Technologie aufgebaut werden. "Unsere amerikanischen Freunde
haben Europa mehrfach aufgefordert, innerhalb der Nato mehr Verantwortung für
die Verteidigungskapazitäten Europas zu übernehmen", sagte ein
Regierungsvertreter.

Zur deutsche Initiative hieß es, sie sei gut, habe aber Schwächen. Zum
Beispiel würden sich nicht alle EU-Staaten beteiligen und es gehe auch nicht um
Finanzierung.

Nach dem Willen von Tusk und Mitsotakis der beiden Regierungschefs soll ihr
Vorstoß nun im Juni beim nächsten regulären EU-Gipfel diskutiert werden. Ein
möglicher wichtiger Unterstützer könnte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
werden. Frankreich ist dem deutschen Projekt bislang nicht beigetreten, weil
dies auch auf die Anschaffung nicht-europäischer Militärtechnik setzt. Dazu
gehören zum Beispiel US-amerikanische Flugabwehrraketensysteme vom Typ Patriot.

Ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums sagte am Freitag, wenn
die EU zum Beispiel durch Unterstützung in Finanzierungsfragen zur Stärkung der
Luftverteidigung in Europa beitragen wolle, sei das "mehr als
willkommen"./aha/DP/ngu

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