26.06.2024 16:06:25 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Problemvogel Kormoran? Expertenanhörung im Bundestag

BERLIN/LANGENARGEN (dpa-AFX) - Vergrämen, bejagen, die Dinge laufen lassen?
Der als Fischjäger bekannte Kormoran hat am Mittwoch die Politik im Bundestag
beschäftigt. Auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion gab es eine öffentliche Anhörung im
Umweltausschuss dazu. Experten diskutierten, mit welchen Mitteln und rechtlichen
Grundlagen sich eine Kontrolle des Bestandes erreichen lasse. Gut ein halbes
Kilo Fisch können die dunklen Zugvögel laut Experten am Tag verspeisen. Der
Kormoran ist eine EU-weit geschützte Art.

Zurzeit gibt es keine bundesweite Regelung zum Umgang mit den Tieren, es
gelten lediglich Länderverordnungen. Das will der Antrag mit einem sogenannten
Kormoran-Management ändern. Fraktionschef Friedrich Merz und CSU-Kollege
Alexander Dobrindt stehen unter dem Antrag - die Initiative stammt aber vom
Bodensee.

Laut dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Mack (Wahlkreis Calw/Freudenstadt) hat sich der Kormoran in Deutschland von einer ehemals bedrohten Vogelart zu
einem fast schon überbehüteten Vogel entwickelt. "Nach aktuellen Schätzungen
leben circa 120 000 Tiere an unseren Flüssen, Seen, Teichen und Küsten. Bei
einer täglichen Futtermenge von 500 Gramm Fisch kommen wir auf über 9000 Tonnen
Fisch, welche die Kormorane pro Jahr verspeisen", sagte der
CDU/CSU-Berichterstatter für den Artenschutz.

Mack sagte, der Vogel trage zu einem Verlust von Artenvielfalt, der Abnahme
der Fischmenge und zu Schäden an den Ökosystemen der Gewässer bei. "Wir müssen
jetzt die rechtlichen Voraussetzungen auf der EU-Ebene und in Deutschland
schaffen, um den Kormoranbestand zu begrenzen. Mit einem einheitlichen,
bundesweit abgestimmten Kormoranmanagement und einer Vielzahl an Instrumenten
und Maßnahmen ist das möglich. Wird der Kormoranbestand auf eine vertretbare
Größe begrenzt, können sich die Fischbestände erholen und stabilisieren."

Der Chef der Fischereiforschungsstelle, Alexander Brinker, machte in der
Anhörung darauf aufmerksam, dass sich der Kormoran in Baden-Württemberg
nachgewiesenermaßen negativ auf den Fischbestand auswirke. Er nannte als
Beispiel den Fluss Jagst, der zu den drei größten Nebenflüssen des Neckars
zählt. "Da gab es den starken Verdacht, dass der Kormoranfraß ursächlich ist für
einen schlechten Zustand des Gewässers. Die Kormorane wurden vergrämt. Die
Fischarten, insbesondere die, die vom Kormoran direkt gefressen werden, haben
sich sehr, sehr schnell, sehr, sehr erfreulich erholt." Nach wenigen Jahren sei
eine entsprechende Allgemeinverfügung ausgelaufen. "Innerhalb von Jahresfrist
war der Zustand wie zuvor erreicht und sogar noch unterschritten", sagte
Brinker.

Christof Herrmann von der Beringungszentrale Hiddensee in Güstrow sagte, man könne den Bestand gar nicht managen. "Der Kormoran ist ein Zugvogel. Wir
bekommen Kormorane aus allen Gebieten Europas. Im Winter sind unsere Kormorane
in ihren Gebieten gar nicht mehr da. Die ziehen ab nach Westen, nach Südwesten,
nach Frankreich, nach Spanien. Wenn Sie hier am deutschen Grundbestand irgendwas
manipulieren könnten, hätte das für den Winter überhaupt keine Effekte."

Reinhart Sosat vom deutschen Angelfischereiverband forderte, den Kormoran in den Anhang zwei der Vogelschutzrichtlinie aufzunehmen, um ein Bestandsmanagement
überhaupt zu ermöglichen. Dieser Anhang führt Arten auf, deren Bejagung im
Rahmen der jeweils geltenden Gesetze der Staaten erlaubt ist.
Kormoranverordnungen greifen laut Sosat nicht in den Bestand ein. "Wir brauchen
ein Kormoranmanagement sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
In Baden-Württemberg sind nur noch 31 Prozent der Fischarten nicht gefährdet.
Die Bestandsaussichten sind auf einem katastrophalen Niveau."

Die Ursache für den Rückgang einiger Fischarten liegt aus Sicht des
Naturschutzbundes Nabu weniger am Kormoran, sondern als Beispiel an der
Erwärmung der Gewässer und der Einwanderung gebietsfremder Fisch- und
Muschelarten. "Kormorane brüten am Bodensee fast ausschließlich innerhalb
wertvoller und sensibler Schutzgebiete. Daher besteht bei jeglichen Maßnahmen
innerhalb dieser Gebiete eine erhebliche Gefahr, dass andere schutzbedürftige
Arten massiv durch solche Eingriffe mit geschädigt werden", sagte Eberhard
Klein, Leiter des Nabu-Bodenseezentrums. Der Kormoran sei noch vor 40 Jahren in
ganz Europa vom Aussterben bedroht gewesen. Seitdem die Art unter gesetzlichen
Schutz gestellt wurde, hätten sich die Bestände in den vergangenen 30 Jahren
wieder erholt, sagte Klein./tat/DP/jha

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH