11.07.2024 12:42:59 - dpa-AFX: SPORT/Djokovic in Wimbledon: Von Krücken in Paris zum Titel?

LONDON (dpa-AFX) - Als sich Novak Djokovic mit Krücken und dem Pariser
Eiffelturm im Hintergrund zeigte, schien ein Wimbledon-Triumph nahezu
ausgeschlossen. Doch nur fünf Wochen später führt der Weg zum Titel im Südwesten
Londons wieder nur über ihn. Manchmal scheint es, als würde der langjährige
frühere Weltranglisten-Erste aus Widerständen Kraft schöpfen. Sei es aus den
Zweifeln und Zweiflern an seiner Fitness oder der fehlenden Anerkennung des
Publikums, die in Wimbledon in seinem kuriosen "Gooooood night"- Wunsch
gipfelte.

Vieles läuft in diesen Tagen im All England Lawn Tennis and Croquet Club
positiv für den 37-Jährigen. Und was der Weltranglisten-Zweite seit seiner
Ankunft klarstellte, hat er längst bewiesen: "Ich bin nicht hierhergekommen, um
ein paar Runden zu spielen. Ich will wirklich um den Titel spielen."

Grand-Slam-Halbfinal-Debütant als nächster Gegner

Sein Wimbledon-Halbfinale am Freitag gegen Lorenzo Musetti dürfte für ihn
eine machbare Aufgabe sein. Während Djokovic seinen 25. Titel bei einem der vier
bedeutendsten Turniere der Sportart anstrebt, steht der 15 Jahre jüngere
Italiener aus der kleinen Stadt Carrara in der Toskana zum ersten Mal in einem
Grand-Slam-Halbfinale. "Er kennt den Belag und das Stadion wahrscheinlich besser
als ich", sagte Musetti mit einem Lachen. "Spaß beiseite, er ist überall eine
Legende, aber besonders hier in Wimbledon."

Im Viertelfinale war Djokovic sein relativ reibungsloser Weg durch die 137.
Wimbledon-Auflage noch erleichtert worden, als der Australier Alex de Minaur mit
einer Hüftverletzung wenige Stunden vor dem Spiel verletzt absagte. Nach seiner
recht einfachen Auslosung und den Verletzungen möglicher kniffliger Gegner wie
dem Hamburger Alexander Zverev hat Djokovic nun auch noch drei spielfreie Tage.
Im Tennis ist eine solche Pause ungewöhnlich, dem Knie des Serben dürften sie
zugutekommen.

Djokovic zeigt sich in Wimbledon als entspannter Familienvater, der mit
seinen Kindern Stefan und Tara albert und seiner Frau Jelena zum zehnten
Hochzeitstag eine Liebeserklärung macht. An seinen Ambitionen hat aber auch der
Meniskusriss vom Achtelfinale der French Open nichts geändert. Am Sonntag möchte
er den Pokal für seinen achten Wimbledon-Triumph in den Händen halten und in
einem für ihn bislang enttäuschenden Jahr endlich den ersten Turniersieg feiern.

Djokovic im Schatten von Federer und Nadal

Seinen 24 Triumphen bei den Grand-Slam-Events hat er in dieser bisher
komplett titellosen Saison noch keinen hinzugefügt. Doch egal, wie viele Titel
und Triumphe dem Rekord-Grand-Slam-Sieger gelingen, um die Akzeptanz und
Popularität eines inzwischen zurückgetretenen Roger Federer oder eines Rafael
Nadal kämpft er noch immer.

Im Achtelfinale sah er sich mal wieder mit Ablehnung konfrontiert. Nach
einem etwas wackligeren Auftakt in den ersten Runden überzeugte er gegen Holger
Rune, den das Publikum frenetisch unterstützte. Djokovic hörte es als Buhrufe.

"All denen, die entschieden haben, den Spieler nicht zu respektieren, in
diesem Fall mich, wünsche ich eine guuuuuute Nacht. Guuuute Nacht. Guuuute
Nacht. Sehr guute Nacht", sagte Djokovic beim Siegerinterview auf dem Centre
Court provokant. Dass es nur ein Missverständnis sei, wollte er nicht
akzeptieren. "Ich kenne alle die Tricks. Ich weiß, wie es läuft." Das könne ihm
aber nichts anhaben.

Unterstützung erhielt Djokovic von Tennisikone John McEnroe: "Er kämpft
schon seine ganze Karriere lang damit. Und ja, er ernährt sich von der negativen
Energie", sagte der Ex-Profi, früher ein Bad Boy, bei der BBC. Er bewundere
Djokovic für den Mut einer solchen Rede, weil es in gewisser Weise noch mehr
Leute gegen ihn aufbringen könnte. "Wir brauchen ihn, er ist zu großartig für
unser Spiel", sagte McEnroe./puk/DP/mis

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