08.07.2024 06:00:01 - dpa-AFX: ROUNDUP: Kühnert rät Ampel zu Atempause in Haushaltsdebatte

BERLIN (dpa-AFX) - Nach der Einigung der Ampel-Spitzen auf einen
Haushaltsentwurf hofft SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zumindest vorübergehend
auf ein Ende der Debatte. "Konkrete Diskussionen über Korrekturen am Haushalt
ergeben erst Sinn, sobald der ausgefertigte Haushaltsentwurf des Kabinetts
beschlossen wurde. Das wird am 17. Juli der Fall sein", sagte Kühnert der
Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Zumindest bis dahin sollte der Berliner
Politikbetrieb sich und den Menschen im Land eine kleine Sommerpause gönnen."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten in der Nacht zum Freitag den
seit Monaten schwelenden Haushaltsstreit beigelegt und sich auf Eckpunkte für
den Bundeshaushalt 2025 geeinigt. Die Schuldenbremse wird eingehalten, eine
Haushaltsnotlage etwa wegen der Ausgaben für die militärische und humanitäre
Unterstützung der Ukraine wird nicht festgestellt. Dies war der FDP und ihrem
Finanzminister Christian Lindner wichtig.

Nicht durchsetzen konnte sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD),
der eine Aufstockung des Verteidigungsetats um mehr als sechs Milliarden Euro
gefordert hatte. Zugebilligt wurde ihm nur eine Erhöhung um 1,2 Milliarden Euro.
Daran gibt es deutliche Kritik, auch aus der Ampel-Koalition. Der
SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz hat bereits gefordert, im parlamentarischen
Verfahren "deutliche Nachbesserungen vorzunehmen".

Generalinspekteur Carsten Breuer erwartet nun Garantien für eine deutliche
Aufstockung in den kommenden Jahren. "Angesichts der Bedrohungslage brauchen wir
eine Verstetigung", sagte Breuer der "Süddeutschen Zeitung". Das
100-Milliarden-Sondervermögen werde bis Ende des Jahres vertraglich komplett
gebunden sein. Mit der Anschaffung von neuen Waffensystemen stiegen auch die
Betriebskosten. "Was nützt neues Gerät, wenn die Soldaten es nicht betreiben
können?"

Der Generalinspekteur warnt, Russland könne sich um das Jahr 2029 herum auch gegen Nato-Staaten wenden, daher sei die Abschreckung so wichtig. "Russland baut
derzeit ein Potenzial auf, das weit über das hinausgeht, was es für den
Angriffskrieg in der Ukraine bräuchte. Die russischen Streitkräfte planen einen
Aufwuchs auf 1,5 Millionen Soldaten, das sind mehr Soldatinnen und Soldaten als
in der gesamten EU", so Breuer.

Kühnert bezeichnet den Kompromiss der Ampel-Spitzen als "gute Grundlage" für die weiteren Haushaltsberatungen. "Selbstverständlich wird der Deutsche
Bundestag im Herbst noch kleinere und größere Änderungen am Haushalt vornehmen,
das ist ganz normal", sagte er der "Rheinischen Post". Die Grünen haben bereits
deutlich gemacht, dass sie schwierige Verhandlungen im Bundestag erwarten, und
zwar in mehreren Bereichen.

Führende Finanz- und Haushaltspolitiker der Grünen mahnen unter anderem
höhere Investitionen an. "Die Bahn muss besser finanziert werden", sagte der
Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler der "Süddeutschen Zeitung". Die
Regierung müsse die Sanierung der wichtigsten Trassen garantieren. "Ich verstehe
nicht, warum der Finanzminister nicht alle Möglichkeiten im Rahmen der
Schuldenbremse nutzt, um mehr Investitionen für die Schieneninfrastruktur zu
ermöglichen. Das ist ein Fehler."

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte dem Blatt: "Deutschland kann
sich kaputtsparen nicht leisten." Alle Wege für mehr Investitionen müssten nun
tatsächlich maximal ausgeschöpft werden, ob in den einzelnen Etats, bei der Bahn
oder über die KfW. "Wir werden mehr investieren müssen, um mit den
Bedrohungslagen umzugehen, unsere Demokratie zu schützen und unseren Wohlstand
zu sichern."

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert eine
offene Debatte darüber, inwieweit Deutschland zum Verzicht bereit ist, um die
eigene Sicherheit zu erhöhen. Vor dieser Diskussion schrecke die Politik aber
zurück, sagte Heusgen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wir bräuchten
eine Diskussion darüber, wie viel uns Sicherheit wert ist und worauf wir
verzichten wollen, wenn wir die zwei Prozent langfristig im Haushalt verankern."
Gemeint ist die Vorgabe der Nato an ihre Mitgliedstaaten, mindestens zwei
Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben./wn/DP/zb

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