24.06.2024 18:43:22 - dpa-AFX: ROUNDUP 4: EU bringt gegen Willen Ungarns Militärhilfe für Ukraine auf den Weg
(neu: Bestätigung Borrell und Angaben zu weiterer Milliarde Euro bis
Jahresende)
LUXEMBURG (dpa-AFX) - Die EU bringt gegen den Willen der ungarischen
Regierung rund 1,4 Milliarden Euro für Militärhilfen für die Ukraine auf den
Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg wurde das geplante Verfahren
dafür am Montag gebilligt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Abend in
einer Pressekonferenz bestätigte. Es sieht vor, dass Ungarn gegen die
Entscheidung kein Veto einlegen kann, weil sich das Land bei einer vorherigen
Grundsatzentscheidung zum Thema enthalten hatte.
Zudem beschlossen die Außenminister ein neues Paket mit Sanktionen gegen
Russland. Es umfasst Maßnahmen gegen milliardenschwere Geschäfte mit
Flüssigerdgas (LNG) und Unternehmen, die an der Umgehung von Sanktionen
beteiligt sind.
Ungarns Milliarden-Blockade
Für die Ukraine ist besonders die Entscheidung zu EU-finanzierten
Waffenlieferungen ein wichtiges Zeichen. Ungarn blockiert seit Monaten die
Auszahlung von EU-Geldern für Militärhilfen. Die Regierung in Budapest begründet
dies mit Zweifeln an der Effizienz der Unterstützung des angegriffenen Landes
und Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Brüssel geht man
davon aus, dass es ihr auch darum geht, wegen Rechtsstaatsbedenken eingefrorene
EU-Gelder für Ungarn freizupressen.
Die rund 1,4 Milliarden Euro sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der
russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits
vor mehreren Wochen von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Wegen der
ungarischen Veto-Politik war aber zunächst unklar, wann sie verwendet werden
können.
Nun ist geplant, dass das Geld innerhalb des nächstens Monats an Länder wie
Deutschland oder Tschechien fließt, die der Ukraine dann damit zeitnah etwa
Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse zur Verfügung
stellen. Eine weitere Milliarde Euro aus Zinserträgen soll nach Angaben von
Borrell bis Ende des Jahres folgen.
Dass die Entscheidung nicht wie üblich einstimmig getroffen werden muss,
begründen die anderen EU-Staaten insbesondere damit, dass Ungarn sich bei der
Grundsatzentscheidung zur Verwendung der eingefrorenen Gelder enthalten habe.
Dies wird nun so interpretiert, dass auch alle Folgeentscheidungen dazu ohne
Ungarn getroffen werden können.
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete das Vorgehen als
Grenzüberschreitung. Er warf den EU-Partnern eine Missachtung der ungarischen
Entscheidungsbefugnisse und einen "beispiellosen Verstoß gegen gemeinsame
europäische Regeln" vor. Es sei Heuchelei, dass man für Rechtsstaatlichkeit und
demokratische Werte eintrete, gleichzeitig aber selbst gegen die Regeln
verstoße, kritisierte er.
Neue Sanktionen gegen LNG-Geschäfte
Die Sanktionen gegen die Geschäfte mit LNG sehen vor, dass Häfen wie der im
belgischen Zeebrugge nicht mehr zur Verschiffung von russischem LNG in
Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen, dass Russland wegen
mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen kann und weniger
Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine
verwendet werden könnten.
Bislang bringen häufig für den Einsatz in eisbedeckten Gewässern geeignete
russische Tanker Flüssigerdgas von der Jamal-Halbinsel in Sibirien in EU-Häfen.
Dort wird das LNG auf normale Tanker umgeladen, die in weiter entfernte
Weltregionen fahren. So können die "Eisbrecher"-Tanker deutlich mehr Einsätze
fahren.
Nach Angaben der EU-Kommission wurden im vergangenen Jahr etwa vier bis
sechs Milliarden Kubikmeter russisches LNG über EU-Staaten in andere Länder
weitergeleitet. Betroffen sein könnten damit Geschäfte im Wert von mehreren
Milliarden Euro. LNG-Importe für den Gebrauch in der EU sind nicht betroffen.
Manche EU-Staaten halten sie für unverzichtbar, damit die Energieversorgung
bezahlbar bleibt.
Kampf gegen Sanktionsumgehung
Neben den LNG-Sanktionen enthält das 14. EU-Paket Maßnahmen, die eine
Umgehung von bestehenden Sanktionen erschweren sollen. Denn Russlands
Rüstungsindustrie kann noch immer westliche Technologie nutzen, um Waffen für
den Krieg gegen die Ukraine herzustellen.
EU-Unternehmen sollen sorgfältiger kontrollieren, dass von ihnen exportierte
kritische Güter nicht in Russland landen. Eine Ausweitung der "No Russia Clause"
auf Tochterunternehmen wurde allerdings von der Bundesregierung verhindert.
Grund waren offensichtlich Warnungen von Unternehmen, die einen zu hohen
Verwaltungsaufwand und Umsatzverluste befürchteten.
Mit der "No Russia Clause" wird von EU-Exporteuren verlangt, dass sie die
Wiederausfuhr von bestimmten Gütern nach Russland vertraglich verbieten.
Betroffen davon sind unter anderem Luftfahrtgüter, Waffen und fortgeschrittene
Technologiegüter, die in russischen Militärsystemen verwendet werden. Neu auf
die Liste kommt auch industrielles Know-how zur Herstellung von Rüstungsgütern.
Unternehmen in China und Türkei betroffen
Zudem werden Dutzende weitere Unternehmen sanktioniert, denen vorgeworfen
wird, zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur
Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beizutragen. An sie
dürfen aus der EU keine militärisch nutzbaren Güter und Technologien mehr
verkauft werden. Einige dieser Unternehmen haben ihren Sitz nach EU-Angaben etwa
in China, Kasachstan, Kirgistan, der Türkei und den Vereinigten Arabischen
Emiraten.
Darüber hinaus wird die Nutzung des russischen Finanznachrichtendienstes
(SPFS) weitgehend verboten, weil dieser aus EU-Sicht von der Zentralbank
Russlands entwickelt wurde, um die Wirkung von Sanktionen zu neutralisieren.
Russisches Regierungsgeld ist künftig tabu
Angesichts der anhaltenden Versuche Russlands, die demokratischen Prozesse
in der EU zum Beispiel mit Desinformationskampagnen zu stören, wurde
beschlossen, dass politische Parteien und Stiftungen, nicht staatliche
Organisationen und Mediendienstleister in der ganzen EU keine Finanzierung von
der russischen Regierung und ihren Vertretern mehr akzeptieren dürfen.
Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete das Paket als Teil der
entschlossenen Unterstützung für die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin
habe das Land und die europäische Friedensordnung brechen wollen, sagte die
Grünen-Politikerin. Erreicht habe er das Gegenteil./aha/DP/jha
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