26.04.2024 10:17:21 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2: Höhere Ticketsteuer belastet Urlauber und Tourismus-Branche

(neu: dritte Frage zu Beispielzielen)

FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX) - Die Steuer auf Flugtickets von deutschen
Abflugorten steigt zum 1. Mai erneut. Das hat Folgen für Urlauberinnen und
Urlauber. Zugleich befürchten Reiseveranstalter und Airlines Belastungen in
Millionenhöhe und langfristige Probleme durch die Entscheidung der
Ampel-Koalition. Die Steueranhebung ist Teil des Maßnahmenpakets, mit dem die
Bundesregierung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher
im Haushalt stopfen will.

Werden Pauschalreisen und Flugtickets künftig teurer?

Wahrscheinlich, denn grundsätzlich müssen Wirtschaftsunternehmen wie
Airlines oder Reiseanbieter immer versuchen, zusätzliche Kosten an ihre Kunden
weiterzugeben. Steuern und Abgaben machen aber nur einen Teil des Preises einer
Pauschalreise aus. Zu Buche schlagen vor allem die Kosten für den Einkauf von
Hotelkontingenten und Flugkapazitäten. Wie sich diese entwickeln hängt auch von
der allgemeinen Preisentwicklung im jeweiligen Urlaubsland ab. Bei den reinen
Flugtickets wirkt sich die Konkurrenzsituation aus, die auf der jeweils
gebuchten Strecke herrscht. Ist dort nur ein Anbieter unterwegs, werden die
höheren Steuern voraussichtlich im vollen Umfang an die Kunden weitergegeben,
was bei scharfer Konkurrenz nicht so einfach wäre.

Wie stark steigen die Steuersätze?

Die Erhöhung betrifft sämtliche Passagierflüge, die von deutschen Flughäfen
abheben. Vom 1. Mai an liegen die Steuersätze je nach Endziel der Flugreise
zwischen 15,53 und 70,83 Euro pro Ticket. Bislang waren in drei
Entfernungsklassen zwischen 12,48 Euro und 56,91 Euro fällig. Die Steigerung zu
den erst 2020 kräftig erhöhten Sätzen beträgt zwischen 22,5 und 24,5 Prozent.
Bei Europaflügen übertrifft der neue Steuersatz den historischen Tiefstand vom
Jahresbeginn 2019 um mehr als das Doppelte. In der EU erheben nur 9 von 27
Mitgliedsstaaten eine Ticketsteuer. Die deutsche Abgabe gehört mit zu den
höchsten.

Welcher Steuersatz wird zu meinem Ziel fällig?

Die Steuersätze sind zwar grundsätzlich nach Entfernung gestaffelt, die
tatsächliche Entfernung zwischen Start und Ziel spielt aber keine direkte Rolle.
Stattdessen hat der Gesetzgeber in Anlagen zum Luftverkehrssteuergesetz Länder
aufgelistet, für die der jeweilige Satz gilt. In der niedrigsten Klasse mit
15,53 Euro sind alle europäischen Staaten enthalten einschließlich der Türkei
und Russland sowie Algerien. Hier sind typische Urlaubsflüge nach Mallorca
ebenso abgedeckt wie ein Geschäftsflug nach London. 39,34 Euro werden fällig bei
Flügen in viele afrikanische und asiatische Länder, die bis zu 6000 Kilometer
entfernt sind. Typische Ziele sind hier beispielsweise Dubai, Tel Aviv oder
Addis Abeba. Für noch längere Flüge etwa nach China oder in die USA beträgt die
Ticketsteuer dann 70,83 Euro.

Können Veranstalter und Airlines von ihren Kunden nachträglich die Steuern
nachfordern?

Das entsprechende Steuergesetz ist erst Ende März in Kraft getreten, also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits etliche Flugtickets und Pauschalreisen für die
Zeit nach dem 1. Mai verkauft waren, die nun unter den erhöhten Steuersatz
fallen. Erst ab dem 28. März durften die Unternehmen die höheren Ticketsteuern
in ihre Endpreise einberechnen.

Bei Flugtickets sieht der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) dennoch keine rechtliche Grundlage für Nachforderungen. Entsprechend hat
beispielsweise die Lufthansa bei frühzeitig verkauften Tickets
die erhöhte Steuer selbst getragen, wie eine Sprecherin versichert. Eine Summe
wird nicht genannt.

Anders sieht die Rechtslage für Reiseveranstalter aus: Sie dürfen unter
bestimmten Bedingungen die nachträglich erhöhten Kosten an ihre Touristen
weitergeben. "Der Vertrag muss das vorsehen und zugleich einen Hinweis darauf
enthalten, dass auch umgekehrt der Reisende eine Senkung des Reisepreises
verlangen kann, wenn beispielsweise der Kerosinpreis sinkt", erläutert Felix
Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Erhöhungen nach
Vertragsabschluss seien unter diesen Voraussetzungen möglich bei höheren
Treibstoffkosten, Erhöhung von Steuern und sonstigen Abgaben für vereinbarte
Reiseleistungen oder Änderung der für die Pauschalreise geltenden Wechselkurse.
Der Veranstalter müsse die Berechnung der Preiserhöhung offenlegen und die
Urlauber spätestens 20 Tage vor Reisebeginn darüber informieren. Veranstalter
wie Branchenprimus Tui und DER Touristik haben rückwirkende
Preiserhöhungen ausgeschlossen.

Haben die Veranstalter ihre Kunden zur Kasse gebeten?

Die Veranstalter haben die Mehrkosten selbst getragen, sagt der Präsident
des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. "Die sehr kurzfristige
Erhöhung der Ticketsteuer bereits zum 1. Mai und damit noch vor Beginn der
Hauptreisezeit führt nach unseren Berechnungen zu einer Mehrbelastung bei den
Reiseveranstaltern von rund 21 Millionen Euro", sagt Fiebig. "Diese zusätzlichen
Kosten können nicht auf die Reisenden umgelegt werden, da eine nachträgliche
Erhöhung der Reisepreise bei Pauschalreisen de facto nicht möglich ist", meint
er mit Blick auf die damit verbundenen Bedingungen.

Welche langfristigen Folgen befürchten die Touristiker?

Fiebig kritisiert, dass Reisen durch Entscheidungen der Politik immer teurer werde. So könnten ab kommendem Jahr beispielsweise die Luftsicherheitsgebühren
um 50 Prozent angehoben werden. "Der Urlaub musste durch Inflation und
gestiegene Energiekosten ohnehin schon Preissteigerungen hinnehmen und
zusätzlich verteuern auch die politischen Entscheidungsträger das Reisen immer
weiter."

Wie viel bringt die Steuererhöhung dem Staat?

Die 2011 von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Ticketsteuer brachte
im Jahr 2022 knapp 1,2 Milliarden Euro Einnahmen für den Staat ein. In diesem
Jahr sollen durch die höhere Ticketsteuer rund 400 Millionen Euro mehr Steuern
in die Staatskasse fließen. Für die Folgejahre rechnet die Regierung mit
Mehreinnahmen von 580 Millionen Euro.

Welche längerfristigen Folgen drohen im Luftverkehr?

In den vergangenen Jahren wurde nicht nur die Luftverkehrsteuer mehrfach
erhöht. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Passagier- und Gepäckkontrollen,
für die Leistungen der Fluglotsen auf der Strecke wie beim Starten und Landen
und für die Abfertigung an den Flughäfen. Beim Start eines Mittelstreckenjets
vom Typ Airbus A320 werden an deutschen Flughäfen rund 4000 Euro
staatliche Abgaben fällig, klagt die Lufthansa in ihrem jüngsten Politikbrief.
Der gleiche Start in Madrid oder Barcelona werde hingegen nur mit 600 Euro
belastet.

Dass Deutschland ein teures Pflaster für Passagierflüge geworden ist, hat
den Branchenverbänden zufolge auch langfristige Auswirkungen. Während das
Sitzplatzangebot hierzulande erst rund 80 Prozent des Vor-Corona-Niveaus
erreicht, wird in den meisten anderen europäischen Ländern längst wieder so viel
geflogen wie vor der Pandemie.

Billiggesellschaften wie Ryanair , Easyjet oder Wizz Air setzen ihre Flugzeuge in Märkten mit geringeren Eingangskosten ein,
weil sie dort einfacher ihre Gewinnschwelle erreichen. Ihr Angebot von Flügen
mit billigen Tickets wächst in Italien, Spanien oder Polen, während es für die
Konsumenten in Deutschland schon deutlich geschrumpft ist. Eine Umkehr könne es
nur geben, wenn die Kosten an den deutschen Flughäfen sinken, hat Ryanairs
Marketing-Chef Dara Brady erst kürzlich wieder erklärt./mar/ceb/DP/ngu

--- Von Friederike Marx und Christian Ebner, dpa ---
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