27.05.2024 06:45:02 - dpa-AFX: ROUNDUP: Selenskyj für Präventivschläge gegen Russland - Die Nacht im Überblick

KIEW (dpa-AFX) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert nach
den tödlichen Bombenangriffen auf die grenznahe Großstadt Charkiw das Recht auf
einen Einsatz westlicher Waffen gegen russisches Gebiet. Viele ausländische
Politiker und Organisationen hätten ihr Beileid bekundet und Russland
verurteilt, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner Videoansprache. "Es ist
wichtig, dass diese Verurteilung zu angemessenen Konsequenzen führt."

Im ostukrainischen Charkiw sind durch russisches Bombardement aus der Luft
seit Donnerstag nach offiziellen Angaben mehr als 20 Menschen getötet worden.
Zugleich gingen die heftigen Bombenkämpfe nahe Charkiw wie an anderen
Abschnitten der Front am Sonntag weiter. Die Nacht auf Montag begann für den
Süden der Ukraine einmal mehr mit Luftalarm. Unter anderem flog nach Beobachtung
des ukrainischen Militärs ein russischer Tarnkappenbomber Su-57 über dem
Schwarzen Meer. Es drohe der Abschuss von Marschflugkörpern, hieß es.

Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine russische Invasion ab.
Militärisch ist sie im Hintertreffen, was unter anderem an der mehrmonatigen
Verzögerung westlicher Waffenhilfe liegt.

Debatte über Einsatz westlicher Waffen gegen Russland

Nach den Treffern auf Charkiw sagte Selenskyj, die Ukraine brauche nicht nur mehr Luftabwehr, sondern auch das Recht, mit ihren ausländischen Waffen auch auf
russisches Gebiet schießen zu können. "Wir sehen jeden Konzentrationspunkt der
russischen Truppen. Wir kennen alle Gebiete, in denen russische Raketen und
Kampfflugzeuge gestartet werden", sagte er. Es sei eine politische Entscheidung,
die präventive Vernichtung dieser Streitkräfte zu erlauben, bevor sie die
Ukraine angreifen. "Eine Entscheidung, die getroffen werden muss." Außerdem
sollten die zugesagten Kampfflugzeuge des US-Typs F-16 schneller geliefert
werden.

Über den Einsatz ausländischer Waffen gegen russisches Staatsgebiet wird in
den westlichen Geberländern seit Langem debattiert. Nato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg forderte die Mitgliedsländer auf, der Ukraine zum Selbstschutz
solche Einsätze zu erlauben. Großbritannien hat seine gelieferten Waffen dafür
freigegeben.

Für die USA sagte Außenminister Antony Blinken unlängst in Kiew, es gebe
kein Verbot, sein Land befürworte diesen Gebrauch aber nicht. In Deutschland
lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Waffeneinsatz über die Grenze nach
Russland ab. Hintergrund ist die Befürchtung, dass Deutschland zur Kriegspartei
werden könnte.

Schwere Kämpfe im ostukrainischen Gebiet Donezk

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs griffen russische Bodentruppen am Sonntag besonders intensiv nordwestlich der Stadt Awdijiwka im ostukrainischen
Gebiet Donezk an. Als Orientierungspunkt für diesen Frontabschnitt nennt die
ukrainische Arme den Ort Pokrowsk. Dort sei am Sonntag das "heißeste Gebiet"
gewesen, sagte auch Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.

Zugleich ging er auf die andauernde russische Offensive im Grenzgebiet bei
Charkiw ein, die seit dem 10. Mai läuft. Russland greife dort in den Orten
Wowtschansk und Lipzy an, sagte Selenskyj. "Unsere Einheiten, unsere Soldaten,
leisten großartige Arbeit, um diesen russischen Druck abzuwehren." Im
Lagebericht des Generalstabs hieß es: "Die Lage wird kontrolliert. Es wurde kein
Verlust von Positionen zugelassen." Unabhängig überprüfbar waren diese Angaben
zunächst nicht.

Medwedew droht Polen mit "radioaktiver Asche"

In Moskau drohte Russlands früherer Präsident Dmitri Medwedew Polen nach
Äußerungen von Außenminister Radoslaw Sikorski mit "radioaktiver Asche".
Sikorski hatte der britischen Zeitung "The Guardian" gesagt, dass die USA auf
einen russischen Atomwaffeneinsatz gegen die Ukraine mutmaßlich mit einem
konventionellen Schlag gegen die russische Armee reagieren würden. Nach
US-Medienberichten gab es im Herbst 2022 eine derartige Warnung aus Washington
Richtung Moskau.

Die USA hätten nichts dergleichen gesagt, "weil sie vorsichtiger" seien als
die Polen, schrieb Medwedew im sozialen Netzwerk X. "Wenn Amerikaner unsere
Ziele treffen, bedeutet das einen Weltkrieg, und ein Außenminister, selbst eines
Landes wie Polen, sollte das verstehen", schrieb der Vizechef des russischen
Sicherheitsrats. Polen sei auch bereit, US-Atomwaffen aufzunehmen. "Warschau
wird nicht ausgelassen und bekommt mit Sicherheit seinen Teil radioaktiver Asche
ab. Ist es das, was ihr wollt?", ergänzte Medwedew.

Das wird am Montag wichtig

Der andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine ist auch ein Thema beim
Treffen der Außenminister und Außenministerinnen der 27 EU-Staaten am Montag in
Brüssel. Sie wollen unter anderem einen neuen Rechtsrahmen zur Bestrafung
schwerer Menschenrechtsverletzungen in Russland beschließen. Er soll es
ermöglichen, Strafmaßnahmen gegen Personen und Organisationen zu erlassen, die
für die Unterdrückung der Opposition verantwortlich sind. Anlass ist der Tod des
Kremlkritikers Alexej Nawalny Mitte Februar in einem Straflager./fko/DP/stk

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