26.06.2024 12:40:11 - dpa-AFX: ROUNDUP: Bei der Bahn drohen höhere Ticketpreise und weniger Angebot

BERLIN (dpa-AFX) - Statt mehr Zugverkehr drohen bei der Deutschen Bahn
künftig höhere Ticketpreise und weniger Verbindungen auf nicht gut nachgefragten
Strecken. Grund sind nach Angaben des bundeseigenen Konzerns die geplanten
Trassenpreissteigerungen, die vor allem das Fahren von Fernverkehrszügen ab 2025
deutlich teurer machen könnten.

"Wenn die Erhöhung in der angekündigten Größenordnung, die deutlich über dem durchschnittlichen inflationsbedingten Kostenanstieg liegt, direkt an die DB
Fernverkehr AG weitergegeben würde, dann sind Angebotsreduktionen und auch eine
Erhöhung der Ticketpreise unumgänglich", sagte ein Bahn-Sprecher der Deutschen
Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin. "Konkret bedeutet dies, dass für die DB
Fernverkehr AG schlecht ausgelastete Züge nicht mehr tragbar wären und das
Angebot entsprechend reduziert werden muss."

Das Thema löste in der Politik Unruhe aus, vor allem die Grünen reagierten
mit Kritik. Landespolitiker befürchten, dass ihre Region durch Streichungen im
Bahnverkehr abgehängt werden könnten.

Inflation beeinflusst auch die Trassenpreise

Bei den Trassenpreisen handelt es sich um Gebühren, die von der
DB-Infrastrukturgesellschaft InfraGo erhoben werden. Alle Unternehmen, die die
Infrastruktur der Bahn nutzen, müssen sie zahlen, auch die Verkehrsunternehmen
der Bahn selbst. Die Bundesnetzagentur genehmigte kürzlich eine deutliche
Erhöhung der Trassenpreise für 2025 - im Durchschnitt um 6 Prozent im Vergleich
zum Vorjahr.

Grund für die hohe Steigerung sind laut der InfraGO höhere Personal- und
Materialkosten der vergangenen Jahre. Aufgrund einer gesetzlichen Regelung darf
der Regionalverkehr nicht so stark belastet werden - daher werden die Erhöhungen
vor allem auf den Fern- und den Güterverkehr umgelegt. Für 2025 erhöhen sich die
Trassenpreise für den Fernverkehr nach aktuellem Stand um 17,7 Prozent. Es gibt
aber Klagen dagegen.

Forderung nach Reform der Trassenpreise

Der Bund hat zudem in Aussicht gestellt, die Unternehmen mit einer
Sonderförderung zu unterstützen. Das sei aber nur eine kurzfristige Lösung,
sagte die Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta (Grüne) am Mittwoch. "Um das
Problem auf Dauer zu lösen, ist eine Überarbeitung des Trassenpreissystems mit
einer Anpassung des Eisenbahnregulierungsgesetzes die sauberste Lösung", so
Piechotta.

"Spiegel" berichtet über Streichliste

Wie konkret die Streichung einzelner Verbindungen bei der Bahn diskutiert
wird, ist im Detail offen. Laut einem Bericht des "Spiegel" hat die Bahn bereits
eine Liste mit Fernverkehrsverbindungen aufgestellt, die ausgedünnt oder
gestrichen werden sollen. Die Bahn wollte sich zur Liste oder konkreten
Streichungsplänen nicht äußern.

Dem "Spiegel"-Bericht zufolge könnten die Intercity-Linien 61 (Karlsruhe -
Stuttgart - Aalen - Crailsheim - Nürnberg - Leipzig), 51 (Gera - Weimar - Erfurt
- Gotha - Kassel - Dortmund - Köln) und 34 (Norddeich Mole - Münster - Dortmund
- Siegen - Frankfurt) komplett gestrichen werden. Darüber hinaus soll laut
"Spiegel" das Angebot an ICE-Fahrten nach Stralsund an der Ostsee in der
Nebensaison stark reduziert werden. Das Magazin bezieht sich auf ein Schreiben
der Deutschen Bahn an die Bundesnetzagentur von Anfang Februar.

Fahrgastverband: Es müssen auch Züge auf Nebenstrecken fahren

Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn reagierte verärgert. "Es muss auch
eine gewisse Daseinsvorsorge auf Linien geben, die sich nicht immer rechnen",
sagte Neuß der dpa. "Linien von Köln über das Ruhrgebiet nach Berlin sind fast
immer voll - da ist die Finanzierung über die Tickets möglich. Aber bei anderen
Verbindungen geht das nicht - es muss sie aber dennoch geben."

Um auch solche Linien anbieten zu können, sei mehr Geld vom Staat nötig. Es
sei nicht vertretbar, wie viel Geld jährlich in die Straßen statt in die Schiene
gesteckt werde, "nur weil dann viele Autofahrer, die nie die Bahn nutzen,
applaudieren", sagte Neuß.

Auch Grünen-Chef Omid Nouripour argumentierte mit der Daseinsvorsorge und
kündigte Gespräche an. Er wolle zusammen mit Bundesverkehrsminister Volker
Wissing (FDP) alles daransetzen, dass es nicht zu Streichungen im Fernverkehr
der Bahn komme, sagte Nouripour bei RTL/ntv.

Bahn räumt Probleme während der EM ein

Aktuell hat die Bahn noch die Herausforderung Europameisterschaft vor der
Brust. In den vergangenen Tagen häuften sich Klagen über die Leistung des
bundeseigenen Konzerns. "Wir verstehen den Unmut und die Kritik von Fans. Die
Bahn bietet aktuell nicht die Qualität, die alle verdient haben", sagte Michael
Peterson, im Vorstand für den Fernverkehr zuständig, der "Bild". Seit
Turnierbeginn seien fünf Millionen Reisende mit den ICE und IC gefahren.
Peterson dankte für Geduld und Umsicht der Kunden, wenn es mal nicht laufe wie
geplant. Gut für die Bahn: Zwei Drittel der Spiele sind bereits
absolviert./nif/DP/jha

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH