15.07.2024 05:00:04 - dpa-AFX: ROUNDUP/Israel: Hamas will Schicksal von Militärchef verschleiern

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Israels Armee bemüht sich nach ihrem Luftangriff
auf den Militärchef der islamistischen Hamas fieberhaft um Klärung seines
Schicksals. Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi warf der Hamas vor,
dies verhindern zu wollen: "Es ist noch zu früh, um auf die Ergebnisse des
Schlags zu schließen, die die Hamas zu verbergen versucht". Die Armee hatte
Mohammed Deif am Samstag bei Chan Junis im Süden Gazas angegriffen. Dutzende
Menschen wurde getötet. Ob Deif unter den Toten ist, ist noch unklar.

Es sei "sehr schwer zu glauben", dass jemand den Luftangriff überlebt habe,
zitierte das "Wall Street Journal" Yossi Kuperwasser, ehemaliger Leiter der
Forschungsabteilung des israelischen Militärgeheimdienstes. Es könne aber noch
Tage oder Wochen dauern, bis Israel genügend Informationen habe, um sicher sagen
zu können, was mit Deif geschehen ist. Israels Armee hatte im März die Tötung
von Deifs Stellvertreter Marwan Issa erst zwei Wochen nach dem Angriff auf ihn
bestätigt. Die Hamas hat Issas Tod dagegen nie bestätigt.

Sollte Deif tatsächlich nicht mehr am Leben sein, wäre er der ranghöchste
Hamas-Anführer, der von Israel in dem seit mehr als neun Monaten andauernden
Gaza-Krieg getötet wurde. Am Sonntag bestätigte das israelische Militär, dass
bei dem Luftangriff der Kommandant der Chan-Junis-Brigade der Hamas, Rafa
Salama, getötet wurde. Er galt als enger Mitarbeiter von Deif, der sich zum
Zeitpunkt des Luftangriffs an seiner Seite befunden haben soll.

Unterdessen sind bei einem weiteren Luftangriff auf ein Schulgebäude im
Flüchtlingsviertel Nuseirat im mittleren Abschnitt des abgeriegelten
Gazastreifens nach palästinensischen Angaben etwa 15 Menschen getötet worden.
Dutzende Menschen seien verletzt worden, gab die Hamas bekannt. Israels Militär
teilte zuvor mit, dass es mehrere Kämpfer der Hamas im Areal einer Schule des
UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA angegriffen habe. Sie habe den Terroristen als
Versteck und Operationsbasis für Attacken auf Israels Truppen gedient.

Im Vorfeld des Angriffs habe die Armee zahlreiche Schritte unternommen, um
das Risiko für Zivilisten zu minimieren, hieß es. Die Angaben beider Seiten
ließen sich nicht unabhängig überprüfen. In Nuseirat hatte Israels Armee erst
kürzlich nach eigenen Angaben mehrere in einem Schulgebäude verschanzte
Terroristen aus der Luft angegriffen. Kurz zuvor waren bei einem Angriff auf
eine ehemalige UNRWA-Schule, die seit Ausbruch des Gaza-Kriegs als
Flüchtlingsunterkunft diente, nach Angaben der Hamas 16 Menschen ums Leben
gekommen.

Israel: Hamas nutzt Schulen und Zivilisten als Schutzschild

Die israelische Armee wies einmal mehr darauf hin, dass die
Terrororganisation systematisch gegen internationale Gesetze verstoße, indem sie
zivile Einrichtungen wie Schulen und die Bevölkerung als menschliche
Schutzschilde für Terroranschläge gegen den Staat Israel missbrauche. Auslöser
des Krieges war das Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas
und anderer Gruppen am 7. Oktober 2023 in Israel verübt hatten.

Ein Vertreter der Hamas in Beirut bestritt am Sonntag, dass ihr Militärchef
in Gaza getötet worden sei. Deif wird oft das "Phantom" genannt. Der 58-Jährige
soll mindestens sieben israelische Anschläge überlebt haben. Israel dürfte daher
besonders sorgfältig vorgehen, um festzustellen, ob er diesmal getötet wurde,
sagte Kuperwasser dem "Wall Street Journal". Ein Foto seiner Leiche wäre
aussagekräftiger als Geheimdienstinformationen, sagte er.

Israels Armeechef: Wir haben ihn gefunden

Bis vor gut einem halben Jahr ging man in Israel davon aus, dass Deif
mehrere Gliedmaßen verloren und eine Vielzahl körperlicher Behinderungen hat.
Bis schließlich Aufnahmen auftauchten, die Deif mit beiden Armen und beiden
Beinen zeigten. Deif gilt als einer der von Israel meistgesuchten Terroristen.
Er ist der Stellvertreter des Chefs der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar.
Israel verfolgt das Ziel, sie gefangenzunehmen oder zu töten.

"Mohammed Deif hatte Angst zu sterben, also versteckte er sich auf eine
Weise, die sogar seine Fähigkeit zu befehlen beeinträchtigte", sagte Halevi und
fügte hinzu: "Er versteckte sich und opferte mit ihm seine Leute und Zivilisten,
die sich in der Gegend befanden". Israels Armeechef ist sich sicher: "Wir haben
ihn gefunden, wir werden auch die Nächsten finden".

Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem Luftangriff mindestens 90
Menschen getötet. Mindestens 300 weitere seien in der humanitären Zone Al-Mawasi
verletzt worden, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit.
Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Nach
Angaben eines israelischen Armeevertreters war das Ziel des Luftangriffs eine
abgezäunte, bewachte Hamas-Basis, die in der von Israel so deklarierten
humanitären Zone westlich von Chan Junis gelegen habe.

Hamas: Verhandlungen nicht abgebrochen

Ein Vertreter des politischen Flügels der Hamas dementierte Berichte, wonach die indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe und die Freilassung
von Geiseln abgebrochen werden. Es treffe nicht zu, dass die Hamas eine solche
Entscheidung nach dem israelischen Luftangriff getroffen habe, hieß es.
Israelischen Medienberichten zufolge will der Chef des israelischen
Auslandsgeheimdienstes Mossad, Daniel Barnea, in den kommenden Tagen zu einer
weiteren Runde der Geisel-Gespräche in die katarische Hauptstadt Doha reisen.

Bei den seit Monaten laufenden indirekten Verhandlungen, bei denen Katar,
Ägypten und die USA vermitteln, geht es um den Austausch der verbliebenen
Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen
Gefängnissen sowie eine Waffenruhe und die Lieferung humanitärer Hilfsgüter. Die
indirekten Gespräche verlaufen schleppend. Israel lehnt bislang die Forderung
der Hamas nach einer dauerhaften Waffenruhe in Gaza ab./ln/DP/zb

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