27.05.2024 13:19:16 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: AfD bedrängt CDU in Kommunalparlamenten in Thüringen

ERFURT (dpa-AFX) - Der große Wurf bleibt aus, doch in Thüringens Kreistagen
und Stadträten wird die AfD wohl künftig eine größere Rolle spielen als bisher.
"Es wird noch schwerer, sie auszugrenzen, in manchen Fällen wird es gar nicht
mehr funktionieren können", sagte der Bochumer Politikwissenschaftler Oliver
Lembcke der Deutschen Presse-Agentur zur Kommunalwahl am Sonntag in Thüringen.
Durch diese Stärke in den kommunalen Vertretungen werde das Thema Brandmauer
"faktisch immer mehr zu einer Metapher werden, die sich zum Ballast für die CDU
entwickelt".

In Thüringen wurden am Sonntag 13 Landräte gewählt und 94 Bürgermeister und
Oberbürgermeister. Außerdem ging es um die Neubesetzung Hunderter
Kommunalparlamente. Der AfD gelang bei den Landratswahlen kein Sieg im ersten
Durchlauf, sie könnte in den Kreistagen aber teils stärkste Kraft werden.

Was wird aus der Brandmauer?

Der Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Michael Brychcy
(CDU), sieht diese Tendenz ähnlich. Wenn gewählte AfD-Vertreter in
Kommunalparlamenten sitzen, könne man nicht so tun, "als ob da eine Brandmauer
besteht", so Brychcy. Allerdings: Die CDU hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss
zur AfD und den Linken.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert
rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Die Partei um Rechtsaußen Björn
Höcke schaffte am Sonntag bei der Wahl von Landräten und Oberbürgermeistern
keinen einzigen Sofort-Erfolg im ersten Durchgang. In neun Stichwahlen in zwei
Wochen hat sie noch Chancen, kommunale Spitzenämter zu holen. Allerdings liegt
sie nach bisherigen Ergebnissen nur im Altenburger Land leicht vorn. Im
Landkreis Hildburghausen schaffte es ein Neonazi in die Stichwahl. Dessen
Wählergemeinschaft "Bündnis Zukunft Hildburghausen" (BZH) entwickele sich laut
Verfassungsschutzbericht 2022 "zur führenden neonazistischen Gruppierung im
Landkreis Hildburghausen". Einen AfD-Kandidaten gab es dort nicht.

AfD teils stärkste Kraft

In den kommunalen Vertretungen rückt die AfD nach Zwischenständen gefährlich nah an den Platzhirsch CDU heran - in acht von 17 Kreistagen und im Stadtrat der
kreisfreien Stadt Gera könnte sie stärkste Kraft werden. Die Auszählungen liefen
am Montagmittag teils noch.

Beim Blick der Ergebnisse quer durchs Land lag die CDU am Montagvormittag
nach Auszählung von 2581 der 3047 Stimmbezirke mit 27,6 Prozent vor der AfD, die
auf 26,4 Prozent kam. Gut möglich, dass sich das Ergebnis noch verschiebt, in
der Landeshauptstadt Erfurt stand die Auszählung noch komplett aus. Während sich
die AfD im Vergleich zu 2019 um fast zehn Punkte verbesserte, hielt die CDU bei
diesem Auszählungsstand ihren Stimmenanteil weitgehend stabil. Verluste erlitten
Linke, SPD und Grüne, die in Thüringen die Landesregierung stellen. Im Landkreis
Sonneberg, wo die AfD ihren deutschlandweit ersten Landrat stellte, lag die
Partei am kurz vor Ende der Auszählungen deutlich vorne.

Messlatte lag hoch

Lembcke sagte, die AfD werde mehr "Erpressungsmacht" erhalten, "mitmachen zu dürfen". "Sie wird immer mehr erpressen können, dass ihre Vorlagen, ihre
Gedanken mehr berücksichtigt werden, dass man mit ihnen spricht und sich mit
ihnen abstimmt." Er rechnet damit, dass die AfD in den Kommunen stärker als
bisher ihre Ausgrenzung wegarbeiten kann.

Höcke hatte die Messlatte vor den Kommunalwahlen hoch gehängt. Der dpa sagte er im vergangenen Jahr: "Wir wollen stärkste Kraft werden bei der Kommunalwahl."
Das "kommunale Fundament" müsse tragfähig sein, sagte Höcke damals, "damit wir
auf landespolitischer Ebene dann auch reüssieren können." In Thüringen wird am
1. September ein neuer Landtag gewählt. In Umfragen liegt die AfD seit Monaten
auf Platz eins, zuletzt hatte sie aber leicht an Zuspruch verloren und lag bei
Werten zwischen 29 und 30 Prozent.

Imageprobleme nach Skandalen

Die Partei rutschte zuletzt auf Bundesebene in eine Krise. Grund sind
Äußerungen des AfD-Europawahlspitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS und eine
Spionageaffäre um einen seiner Mitarbeiter. Gegen die Nummer zwei auf der
AfD-Europawahlliste, Petr Bystron, laufen Ermittlungen wegen des
Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche.

"Die AfD hat es in der Weise vermasselt, weil sie das schlechtmöglichste
Bild in den vergangenen Wochen abgegeben hat", sagte Lembcke mit Blick auf die
zahlreichen Skandale in der AfD./htz/DP/stw

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