25.06.2024 18:10:50 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP/Israels höchstes Gericht: Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe

TEL AVIV (dpa-AFX) - Auch ultraorthodoxe Männer müssen zum Wehrdienst in der
israelischen Armee verpflichtet werden. Dies entschied Israels höchstes Gericht
am Dienstag einstimmig. Das Urteil gilt als herber Rückschlag für die
rechtsreligiöse Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Die neun Richter in Jerusalem stimmten zwei Petitionen zu, die eine
sofortige Einberufung wehrpflichtiger ultraorthodoxer Männer gefordert hatten.
"Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine ungleiche
Verteilung der Bürde größer denn je, und erfordert eine Lösung", hieß es in der
Urteilsbegründung. Es gebe keine juristische Grundlage, um Ultraorthodoxe von
der Wehrpflicht zu befreien.

Die rechtskonservative Regierungspartei Likud kritisierte das Urteil. Eine
echte Lösung des Streits um die Wehrpflicht könne nur ein "historisches Gesetz"
liefern, das gegenwärtig für die Billigung im Parlament vorbereitet werde, hieß
es in einer ersten Stellungnahme. Die Partei warf der Opposition vor, sie wolle
in Wirklichkeit gar keine Wehrpflicht auch für Ultraorthodoxe, sondern lediglich
die Regierung stürzen. Ein neues Gesetz solle dafür sorgen, dass mehr
strengreligiöse Männer in der Armee dienen. Die Opposition wirft der Regierung
dagegen vor, sie strebe eine Befreiung der meisten Ultraorthodoxen vom
Wehrdienst an.

Das Thema Wehrpflicht war zuletzt immer mehr zu einer Zerreißprobe für
Netanjahus Regierung geworden, die auch über den weiteren Kurs im Gaza-Krieg
streitet. Beobachter sehen die Stabilität der Koalition durch den Streit über
die Wehrpflicht deswegen gefährdet, weil sie sich auch auf strengreligiöse
Partner stützt, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt
ablehnen.

Israels stellvertretender Generalstaatsanwalt Gil Limon wies die zuständigen Sicherheitsbehörden in einem Schreiben an, das Urteil umgehend umzusetzen und
dafür auch 3000 Ultraorthodoxe einzuziehen. Es handle sich dabei lediglich um
eine "anfängliche Zahl für die sofortige Rekrutierung".

Jahrzehntelang galten Ausnahmen für ultraorthodoxe Männer bei der
Wehrpflicht in Israel. Diese waren aber vor drei Monaten ausgelaufen. Netanjahus
Regierung gelang es jedoch nicht, ein Gesetz zu verabschieden, das die
Erleichterungen zementieren sollte.

Daraufhin ordnete höchste Gericht eine Streichung der die staatlichen
Subventionen für ultraorthodoxe Männer im wehrpflichtigen Alter, die in
Religionsschulen studieren. Die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara
entschied Ende März zudem, das Militär sei verpflichtet, auch die bisher
weitgehend befreiten Religionsstudenten einzuziehen.

Nach Angaben des Gerichts handelt es sich um 63 000 Männer. Die Armee hatte
zuletzt angesichts des Gaza-Kriegs eindringlich vor einem starken Mangel an
Kampfsoldaten gewarnt.

Kritiker prangerten die bisher geltenden Erleichterungen für ultraorthodoxe
Männer als ungerecht an. Der Gaza-Krieg hat die Kluft zwischen den Lagern noch
einmal vertieft.

Männer müssen in Israel regulär drei Jahre, Frauen zwei Jahre Wehrdienst
leisten. Am Streit um ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer
zum Dienst an der Waffe verpflichten sollte, war bereits 2018 die
Regierungskoalition zerbrochen. Es gibt aber auch ultraorthodoxe Männer, die
freiwillig dienen. Strengreligiöse Frauen werden nur auf freiwilliger Basis
rekrutiert./le/DP/jha

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