07.07.2024 14:46:17 - dpa-AFX: Orbans EU-Rechtsbündnis vor Erlangung von Fraktionsstatus

KOPENHAGEN/DEN HAAG/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Das von Ungarns Ministerpräsidenten
Viktor Orban vor knapp einer Woche aus der Taufe gehobene Rechtsbündnis
"Patrioten für Europa" könnte im neuen EU-Parlament Fraktionsstatus erlangen.
Die radikal-rechte Partei des Niederländers Geert Wilders, die
rechtspopulistische Dänische Volkspartei und Belgiens Vlaams Belang erklärten,
sich der Allianz anschließen zu wollen. Mit dem Zusammenschluss von Abgeordneten
aus mindestens sieben Ländern wäre eine wichtige Bedingung für die Gründung
einer Fraktion in dem am 9. Juni gewählten Europaparlament erfüllt.

Orban, zugleich Vorsitzender der ungarischen Regierungspartei Fidesz, der
Chef der rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl, und der Vorsitzende der
liberal-populistischen tschechischen ANO, Andrej Babis, hatten am vergangenen
Sonntag in Wien das Bündnis "Patrioten für Europa" angekündigt. "Ein neues
Zeitalter beginnt", hatte Orban gesagt. Die neue Fraktion werde Europa "auch
gegen den Willen der Brüsseler Eliten verändern". Die Gruppierung werde zur
"größten Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte Europas" aufsteigen.

Ein zeitgleich veröffentlichtes "Patriotisches Manifest" beinhaltet die
bekannten Positionen rechter, rechts-populistischer und rechtsextremer Parteien:
Ablehnung von Migration und "Green Deal", keine Unterstützung der von Russland
angegriffenen Ukraine sowie Rückbau der Integration in der EU zwecks Stärkung
der Souveränität der Nationalstaaten.

Für die Gründung einer Fraktion im Europaparlament sind mindestens 23
Abgeordnete aus mindestens 7 Ländern erforderlich. Das erste Kriterium würden
Orbans Fidesz, die FPÖ und die ANO zusammen mit ihren 24 Abgeordneten erfüllen.
Am vergangenen Sonntag hatten die portugiesische Rechts-Partei Chega und die
spanische VOX erklärt, in das Bündnis eintreten zu wollen.

Rechte Niederländer und Dänen stoßen dazu

Wilders, Chef der Partei für die Freiheit (PVV), teilte am Freitag auf X
mit: "Wir wollen unsere Kräfte bündeln und werden uns mit Stolz den Patrioten
für Europa anschließen."

Wenige Stunden später folgte ihm Anders Vistisen, ein Europa-Abgeordneter
der Dänischen Volkspartei (DVP). "Die Dänische Volkspartei wird sich der Gruppe
Patrioten für Europa anschließen", schrieb er auf X. Als künftig drittstärkste
Fraktion "können wir ein deutliches Signal an die föderalistischen Extremisten
senden und das Europa der Nationalstaaten verteidigen".

Die österreichische FPÖ, die niederländische PVV, die dänische DVP und die
portugiesische Chega gehörten im letzten Europaparlament der ultra-rechten
Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, die sie mit dem Beitritt zu den
"Patrioten" verlassen würden. Stärkste Kraft in der ID ist das Rassemblement
National (RN) der Französin Marine Le Pen. Sie wollte sich erst am Montag, dem
Tag nach der zweiten Runde der französischen Parlamentswahl, zu einer möglichen
Mitgliedschaft im neuen Rechtsbündnis äußern. Orban, der ihre
russlandfreundliche Haltung teilt, rechnet fest mit ihr. Nur zusammen mit den
Abgeordneten des RN hätten die "Patrioten für Europa" die Aussicht,
drittstärkste Fraktion hinter der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP)
und den Sozialdemokraten (SD) zu werden oder, wie von Orban angekündigt, die
andere Rechtsfraktion, die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), zu
überflügeln.

Die AfD bleibt außen vor

Die deutsche AfD, die vor der Europawahl aus der Fraktion ID ausgeschlossen
worden war, sieht zunächst ihren Platz nicht in den Reihen der neuen Allianz um
Orban. AfD-Chefin Alice Weidel hatte dies am letzten Dienstag ausgeschlossen.
Man sei im Austausch, aber momentan sei das keine Option. Sie sprach von einem
strategisch langfristigen Projekt. "Wir sind in Freundschaft verbunden, wir
haben unglaubliche inhaltliche Schnittmengen, aber sowohl die eine als auch die
andere Partei unterliegt politischen und auch außenpolitischen und
außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die wir momentan Rücksicht nehmen müssen",
sagte die AfD-Chefin auf die Frage, ob ihre Partei in dem Bündnis nicht gewollt
sei.

In der AfD-Spitze wird hinter vorgehaltener Hand die Theorie vertreten, die
deutsche Regierung könnte Orban in seiner Rolle als ungarischer Regierungschef
davon abhalten, dass es zu einer Zusammenarbeit mit der AfD kommt. Von
"Erpressungspotenzial" ist die Rede. Das laufe hinter den Kulissen, sei nicht
beweisbar, aber keine Verschwörungstheorie, heißt es.

Achtungserfolg für isolierten Ungarn

Für Orban, der in der EU wegen seines autoritären Regierungsstils und seiner Nähe zum Kreml weitgehend isoliert ist, stellt das Schmieden einer neuen
Fraktion im Europaparlament einen gewissen Achtungserfolg dar, insbesondere,
wenn dafür auch Frankreichs Rechtspopulisten gewonnen werden können. Orbans
Fidesz war seit dem EU-Beitritt Ungarns 2004 und der Europawahl im selben Jahr
Mitglied der EVP, der auch CDU und CSU angehören. Nach jahrelangen
Streitigkeiten verließ der Fidesz die EVP, um einem drohenden Ausschluss
zuvorzukommen. Die Fidesz-Abgeordneten waren in der Folge fraktionslos
geblieben./pau/gm/DP/he

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