11.07.2024 11:11:26 - dpa-AFX: POLITIK: Experten für mehr Politik und Geschichte in Schulen

BERLIN (dpa-AFX) - Bildungsforscher wollen die Demokratiebildung an Schulen
durch eine Stärkung des Geschichts- und Politikunterrichts verbessern. Die
Ständige Wissenschaftliche Kommission, ein Beratergremium der
Kultusministerkonferenz der Länder (KMK), hat dazu in Berlin eine Stellungnahme
mit Empfehlungen vorgelegt. Zu den Vorschlägen der Experten gehören außerdem
mehr Planspiele und Möglichkeiten zur Mitbestimmung.

Demokratiebildung und die Förderung gesellschaftlicher Integration seien
zentrale Funktionen der Schule, heißt es in dem Schreiben. "In Zeiten globaler
Krisen und innergesellschaftlicher Konflikte, in denen sich häufig
Gesinnungsgemeinschaften in sozialen Netzwerken gegeneinander abschotten, ist
Schule in besonderer Weise (heraus-)gefordert."

Geschichte und Politik durchgängig nach der Grundschule

In dem 76-seitigen Papier schlagen die Bildungswissenschaftler Maßnahmen
vor, wie Kindern und Jugendlichen demokratische Spielregeln und das Verständnis
für demokratische Prozesse besser vermittelt werden könnten. Sie sprechen sich
dafür aus, dass die Fächer Politik und Geschichte nach der Grundschule
durchgängig angeboten werden. Dabei soll der Blick besonders auf der Geschichte
und Entstehung des Grundgesetzes sowie der Rolle der europäischen Aufklärung
liegen.

Politische Bildung sei häufig nicht in der fünften und sechsten Klasse
vorgesehen und habe oft mit ein bis zwei Stunden wöchentlich nur eine
Randstellung in der Stundentafel, heißt es. "Dies steht in deutlichem
Widerspruch zur Bedeutung von Politikunterricht gerade für diese Altersgruppe,
die für eine Radikalisierung etwa durch Gaming und die unkritische Rezeption von
Fake News anfällig ist."

Planspiele und Besuche in Parlamenten

Der Geschichts- und Politikunterricht sollte demnach auch weiterentwickelt
werden. So sprechen sich die Fachleute dafür aus, verstärkt Planspiele zu
nutzen. Diese "geben Einblicke in das Erfordernis und die Schwierigkeiten
politischer Kompromissfindung in einer pluralistischen Demokratie", hieß es.
Empfohlen werden daneben Besuche in Parlamenten und Gespräche mit
unterschiedlichen Akteuren.

Demokratiebildung sollte nach Ansicht der Experten auch als
fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip in allen Schulfächern verankert werden.
Sie plädieren etwa für Gruppen- und Projektarbeit in allen Fächern und dafür,
kontroverse und sensible Themen im jeweiligen Fachgebiet offen zu diskutieren.
Ein demokratisches Unterrichtsklima bedeute, dass Schülerinnen und Schüler in
allen Fächern die Erfahrung machen sollten, dass ihre eigene Meinung gefragt sei
und sie ihren Lehrkräften gegebenenfalls auch offen widersprechen könnten.

Die Kommission spricht sich zudem für Mitbestimmungsmöglichkeiten von Eltern und Schülern an der Schule aus. Weitere Vorschläge sind Fach- und Projekttage
zur Demokratie auf verschiedenen Ebenen von der Kommune bis zum Land, ein Ausbau
des internationalen Schul- und Schüleraustausches und sogenanntes Service
Learning - also ehrenamtliche Hausaufgabenhilfe, Seniorenbesuche oder die
Organisation von Nachbarschaftsinitiativen. Die Kultusministerkonferenz werde
die Empfehlungen prüfen und in ihre weitere Arbeit einfließen lassen, sagte die
KMK-Präsidentin und saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot
(SPD)./jr/DP/mis

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