16.05.2024 12:19:44 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Studie: Fast jeder zweite Wissenschaftler von Anfeindungen betroffen

HANNOVER (dpa-AFX) - Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind einer
Studie zufolge zunehmend mit Anfeindungen, Beleidigungen und sogar Drohungen
konfrontiert. In einer repräsentativen Befragung gab knapp die Hälfte der
Forschenden (45 Prozent) an, in irgendeiner Form bereits Belästigungen
beziehungsweise Angriffe erlebt zu haben. "Die Mehrheit berichtete von einer
Zunahme der Anfeindungen", sagte am Donnerstag Christian Blümel, der am
Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) die Studie
leitete, der Nachrichtenagentur dpa. 70 Prozent der Befragten sagten, dass sie
eine Zunahme von Wissenschaftsfeindlichkeit beobachteten. Über die Ergebnisse
der repräsentativen Erhebung hatte zuerst die Wochenzeitung "Die Zeit"
berichtet.

Während der Corona-Pandemie berichteten viele Fachleute nach
Medienauftritten von Beleidigungen und Hasskommentaren bis hin zu Morddrohungen.
Der Virologe Christian Drosten schilderte als Zeuge vor Gericht, wie ihn auf
einem Campingplatz in Mecklenburg-Vorpommern ein Paar beleidigt und beschimpft
habe. Das Paar wurde wegen der verbalen Anfeindungen verwarnt, das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig. Noch Ende 2023 berichteten fast die Hälfte der vom
DZHW Befragten von Angriffen, meist verbaler Art.

Die Anfeindungen betreffen Studienleiter Blümel zufolge nicht nur
Professorinnen und Professoren, sondern Personen in allen Positionen der
akademischen Gemeinschaft. Was die persönlichen Erlebnisse angeht, waren in der
Befragung Mehrfachnennungen möglich. Am häufigsten (35 Prozent) wurden
herablassende Äußerungen und bewusst verletzende Kritik genannt - mit dem Ziel,
die Kompetenz des Forschenden anzuzweifeln.

In 12 Prozent der Fälle wurde von persönlicher Diskriminierung berichtet.
Seltener waren Hassrede (7 Prozent) und Sachbeschädigung, Vandalismus oder gar
Todesdrohungen (unter 5 Prozent). Die Befragten hatten auch die Möglichkeit zu
offenen Antworten und schilderten ihre Erlebnisse konkreter. Eine Person erhielt
demnach die Drohung: "Warte ab bis wir an der Macht sind, dann wirst du sehen
was wir mit so Menschen wie dir machen!"

Die Studie des DZHW mit Sitz in Hannover entstand in Kooperation mit dem
Projektverbund KAPAZ (Kapazitäten und Kompetenzen im Umgang mit Hassrede und
Wissenschaftsfeindlichkeit). Seit Juli 2023 gibt es eine zentrale bundesweite
Beratungsstelle für Forschende (Scicomm-Support), die Unterstützung bei
konkreten Anfeindungen leisten will. Die Studienergebnisse sollen auch in die
Arbeit dieser Beratungsstelle einfließen./cst/DP/men

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