09.07.2024 16:19:40 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Heil sieht Steuerbonus für ausländische Fachkräfte kritisch

(aktualisierte Fassung)

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sieht die geplanten
Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte kritisch. "Das gehört zur
Abteilung "Das müssen wir uns noch mal genauer angucken"", sagte der
SPD-Politiker im Deutschlandfunk. "Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt über
die Einigung nicht furchtbar glücklich bin, weil es zu Missverständnissen führen
kann."

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr verteidigte die Pläne dagegen.
"Wir wollen eine Anwerbeprämie für Fachkräfte einführen, die wir dringend
brauchen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Die große Mehrheit
der EU-Länder hat so eine Regelung ebenfalls. Und als größte Volkswirtschaft in
Europa hinken wir da bisher hinterher."

Steuerbonus ist Teil der geplanten Wachstumsinitiative

Der geplante Steuerbonus findet sich in der 31 Seiten starken
Wachstumsinitiative, die die Spitzen der Koalition in der vergangenen Woche im
Zusammenhang mit dem Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 beschlossen haben. Ziel
der darin enthaltenen Maßnahmen ist es, die lahmende deutsche Wirtschaft wieder
anzukurbeln.

In dem Papier heißt es: "Um Deutschland attraktiver für ausländische
Fachkräfte zu machen, wird die Bundesregierung zudem steuerliche Anreize für die
Arbeitsaufnahme in Deutschland einführen. Dazu können neu zugewanderte
Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn
steuerfrei stellen." Für diese Freistellung werde man eine Unter- und Obergrenze
für den Bruttolohn definieren.

Scharfe Kritik der Opposition

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt,
zeigte sich empört: "Das ist ein echtes Inländer-Benachteiligungsprogramm, das
sich die Ampel da ausgedacht hat", sagte er der dpa. "Wie muss man sich das
vorstellen? Österreicher oder Holländer zahlen künftig weniger Steuern als
Einheimische, wenn sie in Deutschland arbeiten?" Ganz ähnlich sprach BSW-Chefin
Sahra Wagenknecht von einer "Politik gegen die eigene Bevölkerung". Sie sagte
der dpa in Dresden: "Die Pläne sind ein Schlag ins Gesicht für den Normalbürger,
der hier schon immer brav seine Steuern und Abgaben zahlt."

Regelung soll nur für Fachkräfte gelten

FDP-Fraktionschef Dürr machte deutlich, dass der Steuervorteil nur für
Fachkräfte gelten solle und nicht für Flüchtlinge, wie Wagenknecht unterstellte.
Die Ampel-Koalition habe ein neues Einwanderungsrecht mit klaren Kriterien und
schnellen Visaverfahren geschaffen. "Dennoch bleiben wir ein Land mit
bürokratischen Hürden und hohen Steuern. Deshalb ist es völlig richtig,
steuerliche Anreize als Anwerbeprämie für gut ausgebildete Fachkräfte
anzubieten", erklärte Dürr.

Arbeitsminister Heil betonte allerdings, solche Anreize seien nicht der
entscheidende Punkt, wenn Deutschland für Fachkräfte wirklich attraktiv sein
wolle. "Es geht eher um die Frage, ob wir anwerben, ob wir auf die Stärken
unseres Landes hinweisen", sagte der SPD-Politiker. "Das ist ein bisschen
unsicher formuliert in diesem Papier", ergänzte Heil bei seiner Sommertour in
Sigmaringen. "Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre es auch gar nicht drin
gewesen."

Kritik auch aus der Ampel

Kritische Stimmen waren auch aus den Ampel-Parteien SPD und Grüne zu hören:
"Ich verstehe vollkommen, wenn das die Leute irritiert", sagte Sachsens
Sozialministerin Petra Köpping (SPD) dem "Tagesspiegel". Die
Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke sagte der Zeitung: "Es gibt
aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht." Dies
wäre aus ihrer Sicht nicht gewährleistet, wenn bestimmte Gruppen bei gleicher
Arbeit durch Steueranreize mehr Geld im Portemonnaie hätten.

Steueranreize seit Jahren ein Thema

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuvor darauf
hingewiesen, dass andere europäische Länder bereits Steuervergünstigungen für
zugezogene Fachkräfte gewährten. So ist in den Niederlanden seit Jahresbeginn
eine ähnliche Regelung wie die von der Ampel-Koalition geplante in Kraft.

Die Bundesregierung hatte bereits 2018 in einer Antwort auf eine
parlamentarische Anfrage 15 EU-Länder mit solchen Steuervorteilen genannt. Der
Schwerpunkt lag dabei allerdings auf Führungskräften in Unternehmen und anderen
hochqualifizierten und gut bezahlten Zuwanderern. Höhere Steuersätze als in
ihrer Heimat schrecken gerade solche Zielgruppen oft von einem Wechsel ins
Ausland ab.

Bernd Meurer, der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer
Dienste, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Alle Schritte, um
internationale Kräfte zu einer Tätigkeit in Deutschland zu motivieren, begrüßen
wir." Zugewanderte Arbeitnehmer hätten zudem in der Phase des Ankommens viele
zusätzliche Kosten./sk/DP/he

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