24.05.2024 14:41:56 - dpa-AFX: ROUNDUP: Milliarden für die Ukraine? G7 ringen um Nutzung russischer Vermögen

STRESA (dpa-AFX) - Die führenden demokratischen Industrienationen ringen
weiter darum, wie eingefrorene Vermögen der russischen Zentralbank zur
Unterstützung der Ukraine genutzt werden können. Deutschland wäre laut
Finanzminister Christian Lindner bereit, weitere Schritte zur Nutzung der
Zinserträge zu unternehmen. Voraussetzung sei aber, dass diese Schritte "keine
rechtlich nachteiligen oder ökonomisch riskanten Folgen hätten", betonte der
FDP-Politiker am Freitag beim Treffen der G7-Finanzminister in Norditalien. Das
sei aktuell nicht geklärt. Trotz Drucks aus den USA zeichnete sich daher
zunächst keine Einigung ab. Ziel dürfte aber ohnehin der Gipfel der Staats- und
Regierungschefs Mitte Juni in Apulien sein.

In der EU und in anderen Ländern sind seit dem russischen Angriff auf die
Ukraine rund 285 Milliarden US-Dollar (263 Mrd Euro) an russischen
Vermögenswerten eingefroren. Allein in der EU sind es nach Kommissionsangaben
rund 210 Milliarden Euro. Dieses Geld wirft jährlich Zinserlöse in
Milliardenhöhe ab, die künftig zugunsten der Ukraine eingesetzt werden sollen.
Doch wie das geschehen soll, ist unter den G7-Staaten umstritten.

Die EU-Staaten wollen 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge in den EU-Fonds
für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung leiten. Mit den
restlichen zehn Prozent soll unter anderem der Wiederaufbau von zerstörter
Infrastruktur in der Ukraine finanziert werden. Bis 2027 wird mit Einnahmen von
15 bis 20 Milliarden Euro gerechnet.

Die USA halten das für zu zögerlich. Ursprünglich wollten sie nicht nur die
Zinserträge, sondern auch das eingefrorene Vermögen selbst einziehen. Das
lehnten die EU-Staaten klar als zu riskant ab. Zuletzt schlug
US-Finanzministerin Janet Yellen vor, die G7 könnten der Ukraine einen großen
Kredit geben, der durch die Zinserträge aus den eingefrorenen russischen
Zentralbankgelder abgesichert würde. Dieser Kredit könnte ein Volumen von rund
50 Milliarden Dollar haben.

Lindner betonte, es gebe eine gemeinsame Offenheit der Europäer, den
Vorschlag der USA intensiv zu prüfen. Aktuell sei man aber weit entfernt von
Verhandlungen, weil es noch sehr viele ungeklärte Fragen gebe. "Wer welche
Garantien geben oder Risiken tragen müsste, das ist noch ganz offen", sagte der
deutsche Finanzminister.

Dem Vernehmen nach sieht man in den EU-Staaten unter anderem das Problem,
dass der US-Vorschlag künftige Erträge fest einplant, die je nach
Zinsentwicklung und Entwicklung des Ukraine-Kriegs gar nicht sicher zur
Verfügung stehen.

Der französische Finanzminister Bruno Le Maire betonte, die EU habe für das
laufende Jahr bereits selbst eine gute Lösung gefunden. Zugleich räumte er ein,
die Amerikaner hätten ihren Vorschlag verbessert und rechtssicher gemacht.
Wichtig sei, dass die G7 Einigkeit in dieser Frage beweise und sicherstelle,
dass die Ukraine in den kommenden Jahren die nötigen finanziellen Mittel habe,
um sich gegen Russland zu verteidigen.

Lindner betonte, gemeinsames Interesse sei, dass sich die Ukraine weiter
gegen den russischen Angriff wehren könne, "dass Putin diesen Krieg keinesfalls
gewinnen kann, also die Kriegsziele nicht erreicht". Es müssten aber bei jedem
Instrument die Konsequenzen abgewogen werden.

Erst am Donnerstag hatte Kremlchef Wladimir Putin ein Dekret zur
Beschlagnahmung von amerikanischen Vermögen unterzeichnet. Damit solle der
Schaden kompensiert werden, den die unfreundlichen Handlungen der USA der
Russischen Föderation und der Zentralbank Russlands zufügten. Demnach kann ein
Gericht Vermögen der USA und von amerikanischen Bürgern in Russland
beschlagnahmen, etwa in Form von Aktien, Anteilen an Kapitalgesellschaften und
Grundstücksrechten. Moskau hatte auch die in der EU geplante Beschlagnahmung der
Zinserlöse als Diebstahl kritisiert./tam/DP/ngu

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