26.05.2024 14:18:15 - dpa-AFX: Lauterbach wirft Bayern bei Cannabis Heuchelei vor - CSU gibt Kontra

BERLIN (dpa-AFX) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat der
CSU-geführten Landesregierung in Bayern "Heuchelei" bei Rauschmitteln wie
Cannabis und Alkohol vorgeworfen. Angesprochen auf zahlreiche Verbote für
öffentliches Kiffen wie beim Münchner Oktoberfest, sagte der SPD-Politiker am
Samstag in Berlin, damit werde Politik sehr unglaubwürdig gemacht. "Zum einen
wird so getan, als wenn Bundesgesetze in Bayern nicht gelten würden. Und das ist
- 75 Jahre Grundgesetz - nicht der Fall."

"Zum Zweiten: Stichwort Heuchelei. Wenn dann mit Maßkrügen dieser Größe
gearbeitet wird, und die Leute sind so betrunken, dass sie den Weg zur Toilette
nicht mehr selbstständig schaffen, dann liegen die Betrunkenen quasi im Dreck,
wenn man so will, dann käme es aus meiner Sicht auf den einen oder anderen Joint
nicht mehr an", sagte Lauterbach unter dem Beifall seiner Zuhörer.

Der Gesundheitsminister stellte sich beim Demokratiefest zu 75 Jahren
Grundgesetz zusammen mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den Fragen
von Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Cannabis. Özdemir warnte davor, mit
zweierlei Maßstab zu messen. Über die Folgen hohen Alkoholkonsums für
innerfamiliäre Gewalt, für das Gesundheitswesen oder für die eigene Gesundheit
werde in der Gesellschaft viel zu wenig gesprochen. "Ich würde mir wünschen,
dass diejenigen, die jetzt die ganz Zeit uns bei Cannabis kritisiert haben, zehn
Prozent der Energie auf den Missbrauch von Alkohol verschwenden würden und
darüber mal reden würden."

Die CSU-geführte Landesregierung in Bayern hatte das Cannabis-Gesetz bis zu
seinem Inkrafttreten am 1. April scharf bekämpft. Seitdem schafft sie immer neue
Verbote für den Cannabis-Konsum im öffentlichen Raum wie etwa bei Volksfesten.
Sie preschte auch mit einem Bußgeldkatalog vor.

Jetzt kam aus München massive Kritik an den Aussagen Lauterbachs.
Gesundheitsministerin Judith Gerlach, CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek und
CSU-Generalsekretär Martin Huber erneuerten ihre Kritik an der Cannabis-Freigabe
und kündigten einen weiterhin restriktiven Kurs in Bayern an. "Der einzige
Heuchler ist Karl Lauterbach: Entgegen aller Warnungen von Ärzten und
Jugendpsychologen hat er die Cannabis-Legalisierung durchgesetzt. Die
Legalisierung gefährdet Kinder und junge Menschen", erklärte Huber. Lauberbachs
Vorgehen sei schizophren: Zum einen werde Cannabis legalisiert, zum anderen
würden Millionen Euro für eine Kampagne ausgeben, die vor dem Konsum und den
Gefahren warnt.

Gesundheitsministerin Gerlach bezeichnete den Vorwurf Lauterbachs als
"absurd". Es sei richtig, dass Bayern den vom Bund für die Cannabis-Bußgelder
vorgesehenen Rahmen ausgeschöpft habe, so die CSU-Politikerin. "Wir senden damit
das klare Signal, dass uns Jugendschutz vor Drogenkonsum geht. Völlig absurd ist
es dagegen, dass die Bundesregierung die Cannabis-Risiken weiter verharmlost."

Holetschek kündigte an: "Wir werden alle rechtlich möglichen Maßnahmen in
die Wege leiten, damit der Cannabis-Konsum in Bayern so gering wie möglich
bleibt." Insbesondere dürfe die zweite Säule der Cannabis-Legalisierung nicht in
Kraft treten. "Wir brauchen keine Kiffer-Modellregionen, in denen Produktion,
Vertrieb und Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften ermöglicht und das Verbot der
Kommerzialisierung damit umgangen wird", sagte der CSU-Fraktionsvorsitzende im
Landtag.

Alle drei CSU-Politiker gingen in ihren schriftlichen Erklärungen allerdings nicht auf den Vorwurf Lauterbachs ein, dass in Bayern Alkohol-Exzesse geduldet
würden, der Cannabis-Konsum aber gewissermaßen verteufelt werde. Bei der
Gesprächsrunde auf dem Demokratiefest räumte Lauterbach ein, dass
Cannabis-Konsum ein Risiko mit sich bringe. Er sei aber "definitiv nicht viel
gefährlicher, als wenn ich jeden Tag Alkohol trinke". Er halte es daher für
falsch, Cannabis-Konsumenten zu kriminalisieren./sk/DP/he

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH