27.05.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Viele Tote bei israelischem Luftangriff in Rafah - Nacht im Überblick

GAZA/TEL AVIV (dpa-AFX) - Bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt
Rafah im südlichen Gazastreifen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen
zahlreiche Menschen in einem Zeltlager mit geflüchteten Zivilisten ums Leben
gekommen. Das Bombardement ereignete sich nach Angaben des Palästinensischen
Roten Halbmonds am Sonntag im Nordwesten der Stadt, in der Israels Militär die
letzten dort vermuteten Bataillone der Hamas zerschlagen will. In einer
Rettungsstelle habe man "Dutzende Verletzte und mehr als 15 Tote" gezählt,
schilderte die Organisation Ärze ohne Grenzen. Andere Quellen im Gazastreifen
sprachen von mehr als doppelt so vielen Toten, in eingestürzten oder
niedergebrannten Zelten könne es zudem weitere Opfer geben. Laut dem
israelischen Militär hatte der Geheimdienst vor dem Angriff bedeutende
Hamas-Terroristen auf dem Gelände ausgemacht - zwei von ihnen seien getötet
worden, Berichte über zivile Opfer würden geprüft.

Die Armee erklärte auf der Online-Plattform X, der "präzise" geführte
Luftangriff habe einem Komplex der Islamistenorganisation Hamas gegolten und sei
im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt. Neben Jassin Rabia, dem maßgeblichen
Kopf hinter den Terroraktivitäten der Hamas im Westjordanland, sei auch der
ranghohe Hamas-Terrorist Chaled Nagar getötet worden. Beide seien maßgeblich an
der Planung und Finanzierung von Anschlägen beteiligt gewesen und hätten das
Leben israelischer Soldaten auf dem Gewissen. Die Angaben ließen sich zunächst
nicht unabhängig überprüfen.

Der Rote Halbmond erklärte, das vom Luftangriff getroffene Gebiet sei als
humanitäre Schutzzone für Menschen ausgewiesen, die wegen der israelischen
Kriegsführung flüchten mussten. "Wir sind entsetzt angesichts dieses tödlichen
Vorfalls, der einmal mehr zeigt, dass es (im Gazastreifen) nirgends sicher ist",
kritisierte Ärzte ohne Grenzen.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag verpflichtet,
den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Entscheidungen des
Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel,
um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen.

Erstmals seit Monaten Raketenalarm in Tel Aviv

Am Sonntag hatte die Hamas erstmals seit vier Monaten wieder Raketen auf den Großraum Tel Aviv gefeuert - nach Armeeangaben handelte es sich um acht
Geschosse, die aus Rafah abgefeuert wurden. Die Raketenabwehr habe einige davon
abfangen können. Im Stadtzentrum von Tel Aviv waren mehrere Explosionen zu
hören. In mehreren Städten im Großraum der Küstenmetropole gab es ebenfalls
Raketenalarm. Der militärische Hamas-Arm reklamierte die Angriffe für sich. Zwei
Frauen wurden nach Angaben von Sanitätern leicht verletzt, als sie in
Schutzräume eilten. Zuletzt war Tel Aviv am 29. Januar mit Raketen aus dem
Gazastreifen angegriffen worden.

Am Sonntagabend begleiteten dann mehrere tausend Menschen in Tel Aviv den
Beerdigungszug einer israelischen Geisel, deren Leiche israelische Soldaten
vergangene Woche im Gazastreifen geborgen hatten. Der zweifache Vater hatte am
7. Oktober vergangenen Jahres das Supernova-Musikfestival besucht und war dort
während des beispiellosen Massakers der Hamas und anderer Terroristen in die
Fänge der Islamisten geraten. Seine Familie lud die Öffentlichkeit ein, mit der
Teilnahme an der Trauerprozession still für die Rückkehr aller Geiseln zu
demonstrieren.

Um die Verhandlungen über eine Freilassung der Geiseln sollte es am
Sonntagabend auch auf einer Sitzung des Kriegskabinetts von Israels
Regierungschef Benjamin Netanjahu gehen. Vor der Sitzung hatte Netanjahu in
einer Stellungnahme erklärt, er lehne die Hamas-Forderung nach einer Beendigung
des Krieges und dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen
weiterhin ab.

Israelische Soldaten erschossen derweil nach Armeeangaben am Sonntag in der
Nähe von Hebron im Westjordanland einen Palästinenser, der einen Messerangriff
auf einen Armeeposten ausführen wollte. Soldaten seien nicht verletzt worden,
hieß es. Das Gesundheitsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde
teilte mit, es sei von den israelischen Sicherheitsbehörden über den Tod des
erst 14 Jahre alten Angreifers informiert worden. Seit Beginn des Gaza-Kriegs
wurden bei Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen
Sicherheitskräften, versuchten Anschlägen sowie Angriffen militanter Siedler
fast 500 Palästinenser im Westjordanland getötet.

200 Lkw mit Hilfsgütern rollen in Gazastreifen

Erstmals seit einer Vereinbarung zwischen Ägypten und den USA wurden
unterdessen Hilfslieferungen für den Gazastreifen vom gesperrten ägyptischen
Grenzübergang Rafah über die israelische Passagierstelle Kerem Schalom
umgeleitet. Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News berichtete am
Sonntag, 200 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern seien von Rafah nach Kerem
Schalom gefahren, die Einfahrt in den blockierten Gazastreifen habe begonnen.

Auf dem Demokratiefest in Berlin kam es am Sonntag bei einer Veranstaltung
mit Außenministerin Annalena Baerbock zu lautstarken Protesten. Aus Wut über den
Umgang der Bundesregierung mit dem Gaza-Krieg störten mehrere Teilnehmer mit
lauten Rufen und Bannern eine Debatte der Grünen-Politikerin mit Bürgern. Sie
forderten Baerbock unter anderem auf, Waffenlieferungen an Israel sofort zu
stoppen. Baerbock versuchte, die Fragen ruhig zu beantworten und forderte die
Störer auf, Drohungen zu unterlassen./czy/DP/stk

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