30.06.2024 14:30:24 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Vier Menschen, 378 Tage Mars - Nasa-Simulation endet
HOUSTON (dpa-AFX) - Vier Menschen, 160 Quadratmeter - und das mehr als ein
ganzes Jahr lang: Nach 378 Tagen in einem Mars-Simulationsgelände der
US-Raumfahrtbehörde Nasa im texanischen Houston sollen zwei Frauen und zwei
Männer am Samstag (6. Juli) wieder in ihren Alltag auf der Erde zurückkehren.
Zwölf Monate lang haben die vier Freiwilligen das mithilfe eines 3D-Druckers
geschaffene, fensterlose "Mars Dune Alpha"-Gelände dann nicht verlassen. Sie
haben Geburtstage dort gefeiert, an Weihnachten ein Plastikbäumchen aufgestellt
und Weihnachtsstrümpfe aufgehängt - vor einem Bildschirm, auf dem ein Kamin zu
sehen war.
Mit dem Wissen will die Nasa Menschen zum Mars und zurück bringen
All das im Dienst der Wissenschaft: Das sogenannte "Chapea"-Programm (Crew
Health and Performance Exploration Analog) soll der Nasa dabei helfen, eines
Tages wieder Menschen auf den Mond und später auch weiter weg zu bringen. "Das
Wissen, das wir hier sammeln werden, wird uns ermöglichen, irgendwann Menschen
zum Mars und sicher wieder nach Hause zu bringen", sagte Nasa-Managerin Grace
Douglas beim Einzug der vier Bewohner im Juni 2023.
Frühestens in den 2030er-Jahren könnte es nach derzeitigem Planungsstand so
weit sein. Mit dem nach der griechischen Göttin des Mondes benannten
"Artemis"-Programm will die Nasa erstmals seit mehr als einem halben Jahrhundert
wieder Menschen auf den Mond bringen - darunter auch den ersten nicht weißen
Menschen und die erste Frau. Das langfristige Ziel von "Artemis" ist die
Errichtung einer permanenten Mondbasis als Grundlage für bemannte Missionen zum
Mars.
Vier Freiwillige im Dienst der Wissenschaft
Die vier Teilnehmer der ersten "Chapea"-Mission sind keine ausgebildeten
Nasa-Astronauten. Bewerben durfte sich jeder zwischen 30 und 55 Jahren, der
"gesund und motiviert" ist, nicht raucht und die US-amerikanische
Staatsbürgerschaft oder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung sowie einen
naturwissenschaftlichen Universitätsabschluss und mindestens 1000 Flugstunden
vorzuweisen hat.
Ausgewählt wurden Ross Brockwell, der öffentliche Bauarbeiten im
US-Bundesstaat Virginia organisiert, die Biologin Kelly Haston aus San
Francisco, der Arzt und dreifache Vater Nathan Jones aus dem US-Bundesstaat
Illinois und die Mikrobiologin Anca Selariu. "Ich kann es gar nicht glauben,
hier zu sein", sagte Selariu vor dem Einzug - und Jones bedankte sich bei seiner
Familie für die Unterstützung: "An meine Frau und meine Kinder: Ich liebe euch
bis zum Mars und zurück."
Kommunikation in "Mars-Zeit"
Ein Jahr lang lebten die vier auf 160 Quadratmetern - mit etwa zwei mal drei
Meter großen Schlafzellen, einer Art Wohnzimmer mit Fernseher und Sesseln,
Arbeitstischen mit Computern und einer medizinischen Station. Mit Familie und
Freunden kommunizieren durften die vier Insassen - allerdings in "Mars-Zeit",
das heißt, dass sogar das Übermitteln einer kurzen SMS meist 22 Minuten dauerte.
In einem kleinen Außenbereich simulierten die vier Bewohner
Mars-Außeneinsätze. Daneben standen die Instandhaltung der Anlage und Sport
unter anderem auf Heimtrainern an. "Um es so Mars-realistisch wie möglich zu
machen, ist die Crew auch mit Umweltstress-Faktoren konfrontiert - zum Beispiel
limitierten Ressourcen, Isolation und kaputtgehender Ausrüstung", hieß es von
der Nasa.
"Der Hauptgrund, warum wir das finanziert haben, ist, dass wir bessere
Antworten auf die Frage brauchen: Wie viel Essen benötigt man wirklich für eine
Mars-Mission?", sagte Nasa-Managerin Rachel McCauley der "New York Times". "Und
was hat es mit dem psychologischen Aspekt der Mission auf sich? Der Monotonie?
Der Einsamkeit?"
Gemüsebeet im Innen-Garten
Um den knappen Speiseplan etwas aufzulockern, baute die Crew in einem
Innen-Garten unter anderem Tomaten, Paprika und Salat an. "Pflanzen anzubauen
kann auch einen psychologischen Nutzen haben für Astronauten, die in einer
isolierten Umgebung weit weg von der Erde wohnen", sagte Nasa-Managerin Gioia
Massa. Auch dazu erhoffe man sich Daten.
"Chapea" ist nicht das erste Experiment dieser Art. Unter anderem sammelte
die Nasa schon in einem Simulationsgelände auf Hawaii mit den "Hi
Seas"-Missionen Erfahrungen und Daten, ebenso die Raumfahrtbehörden Europas,
Russlands und Chinas vor knapp 15 Jahren mit dem "Mars 500"-Projekt. Und es soll
weitergehen: Die Nasa hat zwei weitere "Chapea"-Missionen in Planung, die
nächste soll im Frühjahr 2025 starten./cah/DP/nas