18.06.2024 15:51:05 - dpa-AFX: ROUNDUP/Besser gewappnet sein: Mehr Antworten auf Hyperschallwaffen nötig

BERLIN (dpa-AFX) - Bis zum Einschlag bleiben kaum mehr als zwei Minuten
Vorwarnzeit: Nato-General Christian Badia hält verstärkte Anstrengungen für die
Verteidigung gegen neuartige Hyperschallwaffen für nötig. Für eine glaubhafte
Abschreckung müsse dabei sowohl auf Verteidigung als auch die Fähigkeit zum
Angriff gesetzt werden, sagte Badia am Dienstag in Berlin auf der Fachkonferenz
"HyperCon 2024", auf der Wissenschaftler, Vertreter der Rüstungsindustrie und
Offiziere über Folgen der neuen Waffentechnologie berieten.

Deutlich wurde dabei, dass sich die Aussichten, die Waffensysteme über
internationale Abkommen zu regulieren, verdunkelt haben. Während es im Jahr 2020
noch Hoffnungen auf eine Rüstungskontrolle gegeben habe, seien Fachleute dafür
nun pessimistischer geworden, hieß es. Russland setzt diese Waffen bereits gegen
Ukraine ein.

Experten: Vorwarnzeit könnte deutlich schrumpfen

Hyperschallwaffen fliegen mit bis zu zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel zu, sind dabei weiter manövrierbar und zugleich deutlich schwerer zu
orten als ballistische Raketen, die einen hohen Bogen - der Bahn des geworfenen
Balls folgend - beschreiben. Dagegen können Hyperschallwaffen schneller und
tiefer fliegend auf ihr Ziel zusteuern. Die Krümmung der Erdkugel macht es
Radaranlagen schwer, die Waffen frühzeitig zu erfassen und sie tauchen damit
erst spät hinter dem Horizont auf.

Die Vorwarnzeit könne auf nur noch etwa zwei Minuten schrumpfen, hieß es bei dem Treffen. Einige Fachleute bezeichnen die Waffen deswegen auch als "game
changer", die die Regeln und strategischen Überlegungen eines Konflikts ändern
können. Nicht nur die USA und China entwickeln die Systeme, sondern auch
Nordkorea forscht und baut.

"Strecke Moskau-Berlin. Wenn man schnell ist, fünf Minuten von dort nach
hier. Selbst Peking-Berlin, wo man sagt, Peking, unendlich weit weg, 20 Minuten,
sagte Markus Ziegler vom Bundesverband der Deutschen Luft- und
Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) dazu. Das habe Auswirkungen. Ziegler sagte: "Die
Welt, in der wir leben, wird wieder ein Dorf. Das heißt, mit den Technologien
kann ich Bedrohungen aufbauen. Ich kann aber auch geopolitische Einflussnahme
erzeugen." Der BDLI und Bundesverband Deutschen Sicherheits- und
Verteidigungsindustrie (BDSV) sind Organisatoren des Treffens, zu dem als 1.
Innovationskonferenz Hyperschall eingeladen wurde.

Kombination mit Künstlicher Intelligenz eine Option

Die Waffensysteme könnten auch mit Künstlicher Intelligenz kombiniert
werden, um Vorteile bei der Auswahl der Ziele oder dem besten Angriffsweg zu
erlangen, und sie könnten mit nuklearen Sprengköpfen versehen werden. Dass in
dieser Situation Mechanismen der Rüstungskontrolle - auch in der Folge des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - aufgekündigt wurden, ist
zusätzlich besorgniserregend. Diskutiert wurde auf der Konferenz, welche
Bedingungen für ein Kontrollregime nötig sind. Tenor: Eine ebenbürtige Position
und gegenseitige Verwundbarkeit sind womöglich als Anreize für Verhandlungen
nötig.

Russland sei bei Hyperschallwaffen sehr aktiv, China beobachte derweil und
entwickele seine Fähigkeiten weiter, sagte Badia. Der Luftwaffen-General ist
stellvertretender Leiter des strategischen Nato-Hauptquartiers in Norfolk (USA)
und damit zuständig für die Planung künftig notwendiger Fähigkeiten des
Bündnisses. Mit Blick auf die Gesamtlage und den Krieg in der Ukraine verbessere
sich die Lage Chinas. "Europa nutzt sich ab, Amerika nutzt sich ab, Russland
nutzt sich ab, alle nutzen sich ab, nur einer nutzt sich nicht ab. Das ist
China", sagte Badia. Sein Zwischenfazit: "China ist der große Gewinner."

Verändert haben sich nach seiner Auffassung auch Annahmen, wie eine
Eskalation ablaufen würde. Noch vor eineinhalb Jahren sei es der
Diskussionsstand gewesen, dass bei einem Konflikt wahrscheinlich alles dafür
getan werde, dass dieser unterhalb der Schwelle des Krieges bleibe. Das habe
sich geändert. Nun werde darüber geredet, dass es zu einem großen Konflikt
kommen könne, "der nicht mehr nur regional ist, sondern der auch global ist".

Er wies darauf hin, dass Abschreckung früher als nukleare Abschreckung
verstanden wurden. Badia sagte: "Es ist aber ganz viel, was da vorher jetzt
passiert und deswegen muss ich auch in dem konventionellen Bereich Möglichkeiten
haben, offensiv wie defensiv so abzuschrecken."

Er wies darauf hin, dass die Rolle Deutschlands unter den 32 Nato-Nationen
gewachsen sei und größer sei, als in Deutschland vielfach angenommen. "In allem
innerhalb der Nato ist Deutschland die Nummer zwei, vom Truppensteller bis zur
Fähigkeit, bis zu allem, was wir bereitstellen", sagte Badia. Er sprach von den
"big four", den vier Großen, im Bündnis. "Das ist erstens USA, zweitens
Deutschland, drittens UK, viertes Frankreich", sagte Badia. "Das sind die
einzigen Vier, die alle Fähigkeitsziele der Nato innerhalb der Fähigkeitsplanung
auch bedienen."/cn/DP/ngu

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