01.02.2024 12:32:54 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Das Bier läuft nicht mehr - Brauereien in der Zange

WIESBADEN (dpa-AFX) - In Deutschland ist im vergangenen Jahr weniger Bier
getrunken worden als selbst im Corona-Jahr 2021. Die Brauereien sind in
Alarmstimmung, weil ihr Gesamtabsatz nach der kurzen Erholung 2022 nun einen
neuen Tiefstand erreicht hat. 8,4 Milliarden Liter bedeuten ein Rückgang um 4,5
Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete. Das
Traditionsgetränk schmeckt deutschen wie auch internationalen Kunden immer
seltener. Neben den Trends gesunde Ernährung und alternde Gesellschaft sorgen
seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stark steigende Kosten und
zurückhaltende Verbraucher für große Sorgen in der Branche.

Sorgen um Energiewende

Dabei stehen die größten Probleme erst an: Die Produktion von Bier ist mit
dem Erhitzen und Kühlen großer Mengen Flüssigkeit sehr energieintensiv. Der
Präsident des Deutschen Brauer-Bundes, Christian Weber, warnte kürzlich in einem
Interview vor den immensen Kosten: "Wenn wir in naher Zukunft unsere Brauereien
elektrifizieren müssen, um Klimaneutralität zu erreichen, reden wir über Kosten
in Milliardenhöhe." Auch die Reinigung von Flaschen brauche viel Energie. "Um
eine Brauerei komplett von Gasbetrieb auf alternative Prozesse umzustellen,
müsste man etwa 80 Prozent einer Brauerei neu bauen."

Auch wenn Weber auf die Innovationskraft seiner Mitgliedsunternehmen
vertraut: Die angestrebte Klimawende trifft eine geschwächte Branche. Seit 1993
ist der Bierabsatz in Deutschland um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Allein
im vergangenen Jahr wurden Braukapazitäten für mehr als 200 Millionen Liter aus
dem Markt genommen. Unter anderem hat der Marktführer Radeberger die
traditionsreiche Binding-Brauerei an seinem Konzernsitz in Frankfurt am Main
geschlossen. In Hessens größter Stadt gibt es damit nur noch kleine,
handwerkliche Brauereien oder als Alternative die Keltereien für den eher lokal
beliebten Apfelwein.

Veltins sieht nervöse Konkurrenten

Die Situation gerade der kleinen und mittelständischen Unternehmen werde
sich angesichts der beschleunigten Absatzverluste unweigerlich zuspitzen,
erklärte der Chef der sauerländischen Veltins-Brauerei, Michael Huber. Die
geringeren Mengen reichten längst nicht aus, um die langjährigen Überkapazitäten
zurückzuführen. Die Nervosität unter den Brauern sei angesichts der hohen Kosten
groß. "Die unabdingbaren Investitionen in die energetische Transformation
bedeuten für viele Brauhäuser das absehbare Aus, weil es an Renditekraft fehlt
und die Wirtschaftlichkeit nicht mehr herstellbar ist."

Alkoholfreie Hoffnungsträger

Seit Jahren entwickelt sich der Absatz alkoholfreier, nicht von der
Steuerstatistik erfasster Biere besser als der Absatz klassischer Sorten, was
laut Brauer-Bund wohl auch 2023 so war. Gleichwohl blieb im Flautenjahr unter
dem Strich auch in diesem Bereich ein Minus, sagt Hauptgeschäftsführer Holger
Eichele. Dennoch sieht er die alkoholfreien Biere mit einem Marktanteil von
zurzeit sieben Prozent weiter als Hoffnungsträger. "Wir rechnen damit, dass bald
jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird. Kein anderes
Segment in der Brauwirtschaft hat in den letzten zehn Jahren so stark zugelegt."

Preiskampf im Handel

Billiger wird Bier auf absehbare Zeit für die deutschen Verbraucher wohl
nicht. Eichele kritisiert den "ruinösen Preiskampf", den große Handelskonzerne
zulasten der gesamten Lebensmittelwirtschaft führten. "Niemand versteht, weshalb
ein in Deutschland mit Handwerkskunst und besten heimischen Rohstoffen gebrautes
Bier durchgehend billiger zu haben ist als simple Softdrinks."

Die Kosten für Rohstoffe, Herstellung und Vertrieb sind in den vergangenen
Jahren stark gestiegen. Die inflationsgeplagten Verbraucher halten sich zurück.
Laut Veltins verlor das Flaschenbiergeschäft im Handel zuletzt rund 5 Prozent,
während das Fassbier auf 85 Prozent des Niveaus aus dem Vor-Corona-Jahr 2019
kommt.

"Nagelsmann hilf!"

Auch die großen Biermarken seien mehrheitlich 2023 nicht um Absatzverluste
herumgekommen, stellt das Fachmagazin "Inside" in seiner Jahresbilanz fest. Die
kurzfristigen Hoffnungen lägen nun auf einer erfolgreichen und bierseligen
Fußball-Europameisterschaft mit neuem Trainer im eigenen Land. "Nagelsmann
hilf!", laute das Motto.

Im vergangenen Jahr schwächelten die Bierexporte mit einem mengenmäßigen
Rückgang um 5,9 Prozent noch stärker als der Inlandsverbrauch, der um 4,2
Prozent zurückging. Auch der Pro-Kopf-Verbrauch der Gesamtbevölkerung, der 2022
noch bei 86,5 Litern lag, dürfte weiter geschrumpft sein, lag beim Bundesamt
wegen fehlender Importzahlen aber bislang nicht vor./ceb/DP/jha

--- Von Christian Ebner, dpa ---
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