20.06.2024 15:18:19 - dpa-AFX: ROUNDUP/Asylverfahren in Drittstaaten: Faeser dämpft Erwartungen

BERLIN/POTSDAM (dpa-AFX) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat mit Blick
auf eine mögliche Auslagerung von Asylverfahren in Staaten außerhalb der
Europäischen Union die Erwartungen gedämpft. Das könne ein "Bausteinchen" sein,
würde aber nicht die Migrationslage in Deutschland grundlegend ändern, sagte die
SPD-Politikerin am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz von Bund und
Ländern (IMK) in Potsdam.

Faeser verwies auf das italienische Modell mit Albanien und sagte: "Da ist
eine Höchstgrenze von 3000 Geflüchteten vereinbart. Das ist auch ein sehr
kleiner Teil." Eine wirkliche Reduzierung der Zahl der Asylsuchenden werde über
eine Drittstaaten-Regelung nicht gelingen. Es sei nicht der "Gamechanger",
betonte Faeser. Großbritannien etwa habe 18 Monate verhandelt und noch kein
tragfähiges Modell.

Drittstaaten-Regelung zentrales Thema bei Bund-Länder-Gipfel

Die Idee der Asylverfahren in sogenannten Drittstaaten steht auch im
Mittelpunkt der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin, die am Donnerstag
parallel in Berlin stattfand. Für den Nachmittag ist ein Treffen mit
Bundeskanzler Olaf Scholz geplant, zu dem auch Faeser erwartet wird. Sie hat in
den letzten Wochen eine Drittstaaten-Regelung von Experten prüfen lassen und
will die Ergebnisse bei der Sitzung im Kanzleramt vorstellen.

Die unionsgeführten Länder wollen von der Bundesregierung eine Zusage, dass
sie ein "konkretes Modell" für eine Drittstaaten-Regelung entwickelt. Vorbild
soll die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien sein. Ob die SPD-geführten
Länder mitziehen, war zu Beginn der Länderberatungen noch unklar.
Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig äußerte sich "höchst
skeptisch". Man müsse alle Maßnahmen darauf prüfen, ob sie mit den bestehenden
Regeln vereinbar sind und ob sie tatsächlich wirken, sagte sie. "Wir brauchen
keine Symbolpolitik, wir brauchen praktische Ergebnisse."

IMK-Vorsitzender hält Verfahren für sehr kompliziert

Auch der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU),
bewertet Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten mit einer gewissen
Skepsis. "Das ist ein mögliches Projekt, was sehr kompliziert sein wird, was
auch rechtlich nicht einfach einzuordnen sein wird", sagte Stübgen. Er fügte
hinzu: "Aber ich lasse mich gerne überzeugen davon, dass das versucht werden
sollte." Großbritannien, wo ein Modell mit sehr großem Aufwand betrieben werde,
sei bisher nicht sehr erfolgreich in dieser Frage, sagte Stübgen.

Die konservative britische Regierung bemüht sich seit langem darum,
Menschen, die ohne Erlaubnis einreisen, nach Ruanda zu bringen. Sie sollen dort
Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Italien
will die Asylverfahren für einen Teil der geretteten Bootsmigranten nach
Albanien auslagern.

FDP-Fraktionsvize schlägt Pilotprojekt vor

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Konstantin Kuhle, sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Um dieses Vorhaben voranzubringen, sollte
der Bund schnellstmöglich ein Pilotprojekt starten, um eigene Erfahrungen zu
sammeln." Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur, er befürworte nicht das
britische Ruanda-Modell, sondern sei vielmehr dafür, europäische Asylprüfungen
in Transitstaaten zu ermöglichen.

Faeser erwartet Entlastung durch Umsetzung der EU-Asylreform

Faeser sagte in Potsdam, sie setze vor allem auf die bereits beschlossene
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Vor allem die geplanten
Asylzentren an den Außengrenzen, wo die Schutzersuchen von Menschen aus Staaten
mit niedriger Anerkennungsquote geprüft werden sollen, "werden uns hier massiv
entlasten".

Beim Bund-Länder-Gipfel in Berlin wird es auch um den Vorstoß des Kanzlers
für eine Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach
Afghanistan und Syrien gehen. Scholz hatte damit auf die tödliche Messerattacke
eines Afghanen in Mannheim reagiert. "Ich glaube auch, die Bevölkerung erwartet,
dass solche Menschen nicht länger in diesem Land bleiben", sagte Stübgen. Er
halte es für notwendig, zunächst mit Syrien zu beginnen. "Dort sind die
rechtlichen Bedingungen andere, aber dann muss die Bundesregierung, insbesondere
die Bundesaußenministerin, endlich mal anfangen, diplomatische Stränge so
aufzubauen, dass man dies organisieren kann."/mow/DP/ngu

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