12.06.2024 16:42:36 - dpa-AFX: ROUNDUP: Streit um Fitness-Tarif - BGH stärkt Versicherungsnehmern den Rücken

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Fürs Joggen, gesunde Essen und Vorsorgeuntersuchungen
beim Arzt sollen Versicherte in einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit
Rabatten bei der Prämie belohnt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den
Tarif unter die Lupe genommen - und im Streit um einige Regelungen nun den
Versicherungsnehmern den Rücken gestärkt. Zwei Klauseln des Tarifs hielten einer
Inhaltskontrolle der Karlsruher Richterinnen und Richter nicht stand, wie das
Gericht am Mittwoch mitteilte. Sie seien intransparent, führten zu einer
unangemessenen Benachteiligung der Versicherten - und seien daher unwirksam.

In dem konkreten Fall hatte der Bund der Versicherten (BdV) gegen Klauseln
in einem Tarif der Generali -Tochter Dialog Lebensversicherungen
geklagt, der die Mitgliedschaft in einem Gesundheitsprogramm der Generali
voraussetzte. Versicherte sammeln dort über eine App Punkte, wenn sie zum
Beispiel Sport machen oder zum Arzt gehen. Die Daten werden über eine App
erfasst, als Belohnung für ein gesundheitsbewusstes Leben winken Gutscheine und
Vergünstigungen bei Partnerunternehmen. Je nach Punktezahl erhalten Versicherte
zudem den Status "Bronze", "Silber", "Gold" oder "Platin"
- der wiederum Auswirkungen auf die Höhe der zu zahlenden
Versicherungsprämie im Tarif des Tochterunternehmens hat.

Zum ersten Mal beschäftigte sich das höchste deutsche Zivilgericht dabei mit sogenannten Telematiktarifen. Gemeint sind damit Tarife, in denen das Verhalten
eines Versicherten etwa über eine App überwacht und diese Daten entweder
unmittelbar oder indirekt Auswirkungen auf die Höhe der Versicherungsprämie
haben. "Bekannt sind solche Programme bisher vor allem bei Kfz-Versicherungen,
die den Fahrstil bewerten", sagte BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke. Der
beklagte Tarif ziele hingegen auf Gesundheits- und Fitnessdaten und damit auf
einen "sehr persönlichen Lebensbereich" der Versicherten.

Senat folgt Ansicht der Verbraucherschützer

Der BdV war gegen mehrere Regelungen des Versicherungstarifs vor Gericht
gezogen. Die angegriffenen Klauseln hielt der Verein für unwirksam, weil sie
intransparent seien und die Versicherten unangemessen benachteiligten. So
könnten die Verbraucher etwa "nicht genau in Erfahrung bringen, welches konkrete
Verhalten zu welchen tatsächlichen Vergünstigungen führt", sagte BdV-Vorstand
Rehmke. Außerdem werde verschleiert, dass die sogenannte Überschussbeteiligung
der Versicherten auch trotz gesundheitsbewussten Verhaltens ausbleiben könne,
wenn der Versicherer nicht ausreichend Erträge erziele.

Dieser Einschätzung schlossen sich die Karlsruher Richterinnen und Richter
an. Dem Verbraucher werde nicht hinreichend erklärt, nach welchen Maßstäben die
Vergünstigungen über eine sogenannte Überschussbeteiligung zustande kämen,
urteilte der Senat. Die entsprechende Klausel sei intransparent und daher
unwirksam.

Neben der Klausel zur Überschussbeteiligung stand auch eine Regelung zur
Übermittlung der Gesundheitsdaten im Fokus des Verfahrens. Es sei unfair, dass
in dem Tarif entsprechende gesundheitsbewusste Aktivitäten nicht berücksichtigt
würden, wenn die Fitnessdaten zu spät geliefert würden - "egal, ob das die
Kundin versäumt hat oder die Technik beim Versicherer versagt hat", sagte
Rehmke. Auch hier folgte der BGH der Ansicht des BdV. Dem Versicherten werde das
Risiko einer ausbleibenden Übermittlung der Daten auch dann aufgebürdet, wenn
nicht er selbst, sondern der Versicherer oder ein Dritter das zu verantworten
hat. Er werde daher unangemessen benachteiligt, die Klausel sei unwirksam.

Generali kündigt Anpassungen an

"Telematiktarife, die auf die Fitnessdaten von Versicherten zielen, sind
nicht unproblematisch. Wir freuen uns, dass wir mit unserer Verbandsklage nun
wenigstens für mehr Transparenz sorgen konnten", sagte BdV-Vorstand Stephen
Rehmke nach dem Urteil. "Verbraucherinnen und Verbraucher sollen klar erkennen
und verstehen können, was sie bekommen, wenn sie dem Versicherer Informationen
zu ihrer Gesundheit preisgeben."

Generali betonte nach der Verkündung, das Vitality-Gesundheitsprogramm
selbst sei nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen und vom BGH auch nicht
grundsätzlich in Frage gestellt worden. "Insofern bestätigt das Urteil den
Grundsatz der Vertragsfreiheit, wonach jeder im Rahmen der bestehenden Gesetze
frei entscheiden kann, wie und bei wem er oder sie sich versichert", so das
Unternehmen. Die beiden in dem Verfahren monierten Klauseln wolle man
entsprechend anpassen und die nach eigenen Angaben knapp 100 betroffenen Kunden
anschreiben./jml/DP/ngu
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