24.05.2024 14:57:35 - dpa-AFX: ROUNDUP: Arbeiten in Offshore-Windparks - IG Metall fordert einheitliche Regeln

HAMBURG/EMDEN (dpa-AFX) - Für die Arbeitssicherheit und eine schnelle
Rettung im Notfall von Windparks auf hoher See sind aus Sicht von Gewerkschaften
und Betriebsräten einheitliche und bessere Regelungen in der Offshore-Branche
nötig. Die Gewerkschaft IG Metall hat dafür zusammen mit Betriebsräten ein
Positionspapier entwickelt, das am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Darin schlagen die Initiatoren unter anderem einheitliche Standards für den
Personaleinsatz bei Wartungen auf Windturbinen, für die
Kommunikationsinfrastruktur in Windparks und für eine bessere Rettungskette vor.

Viele Abläufe etwa bei der Wartung von Anlagen können Windparkbetreiber laut Gewerkschaft und Betriebsräten individuell regeln - Standards würden daher
mitunter von Windpark zu Windpark variieren. "Es ist nicht so, dass alles
schlecht ist, sondern wir haben auch schon gute Regelungen", sagte Daniel
Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Durch den geplanten Ausbau der Windkraft auf See würden in den kommenden
Jahren aber nicht nur deutlich mehr Menschen in der Offshore-Branche beschäftigt
sein, gerade Servicetechniker würden auch viel weiter draußen auf See arbeiten,
wo die neuen Windparks entstünden. Daher brauche es bessere Standards für
sichere Arbeitsplätze und eine schnelle Rettung im Notfall, sagte Friedrich. Er
betonte auch: Eine Standardisierung dürfe nicht dazu führen, dass bisher gute
Regelungen herabgesetzt würden.

Mehr Windparks, höherer Personalbedarf

Um die Klimaziele zu erreichen, will die Ampelregierung die installierte
Leistung der Offshore-Windenergie deutlich steigern - zunächst auf 30 Gigawatt
bis 2030 und später auf 70 Gigawatt bis 2045. Zurzeit stehen 1564 Windräder mit
einer Gesamtleistung von 8,4 Gigawatt vor den Küsten von Nord- und Ostsee. Im
Bau befinden sich nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und
Hydrographie vom März zurzeit vier Windparks mit einer Leistung von 2,54
Gigawatt.

Mit dem Ausbau wird sich absehbar auch die Zahl der Beschäftigten deutlich
erhöhen. Die IG Metall schätzt, dass bis 2045 rund 55 000 Menschen in der
Offshore-Industrie arbeiten werden - zurzeit sind es rund 30 000, allein rund
1500 arbeiten als Servicetechniker und Servicetechnikerinnen auf den
Windturbinen auf See.

Windparks weit draußen auf der Nordsee geplant

Für Notfälle sollen kündigt mindestens zwei bis drei spezielle
Rettungshubschrauber, sogenannte HEMS-Helikopter, einsatzbereit sein, heißt es
in dem Positionspapier. Bislang ist so ein Hubschrauber in Sankt Peter-Ording
stationiert. "Wir müssen uns auch die Standorte genau angucken, weil es sein
kann, dass wir unterschiedliche Wetterlagen haben", sagte Timo Röpkes,
stellvertretender Betriebsratsvorsitzender beim Windparkbetreiber Ørsted im
ostfriesischen Norden (Landkreis Aurich). Denn wenn ein Helikopter infolge
schlechter Wetterbedingungen etwa in Schleswig-Holstein nicht starten könne,
könne dies aber beispielsweise in Norden-Norddeich möglich sein.

Da viele neue Windparks in den kommenden Jahren weiter von der Küste
entfernt, nämlich bis zu 350 Kilometer weit draußen in der Deutschen Bucht
entstehen sollen, braucht es laut der Gewerkschaft dort zudem ein weiteres
Rettungskonzept. Denn die Hubschrauber, die an der Küste stationiert sind,
können diese Windparks nicht mehr erreichen. "Wenn dann die Windparks viel
weiter draußen sind, dann braucht es technische Lösungen, entweder ein
Offshore-Schiff oder eine Offshore-Plattform", sagte Heiko Messerschmidt, IG
Metall-Branchenbetreuer Windindustrie. Eine solche Rettungskette müsse der Staat
zusammen mit der Windkraftindustrie organisieren.

Vorgaben zu Personaleinsatz und Mobilfunk gefordert

Ein einheitlicher Standard fehlt laut der Gewerkschaft auch bei der
personellen Besetzung auf den Windturbinen. Bislang würden mindestens zwei
Techniker gleichzeitig auf einer Windkraftanlage arbeiten. Aus Sicht der
Arbeitnehmer zu wenig. "Wenn da ein Notfall entsteht: Ein Kollege hat einen
Herzinfarkt und ich müsste mit den Wiederbelebungsmaßnahmen anfangen, wer
informiert dann den Rettungsdienst?", fragte Henrik Köller,
Gewerkschaftssekretär der IG Metall Emden. Betriebsräte und Gewerkschaft fordern
deshalb, dass mindestens immer drei Personen zur gleichen Zeit auf einer Anlage
arbeiten.

Handlungsbedarf besteht nach Angaben von Betriebsräten auch bei
Kommunikationswegen. Mobilfunkverbindungen fehlen in vielen Windparks demnach
noch. Meist seien die Anlagen mit Festnetzanschlüssen ausgestattet. "Wenn die
Kommunikation ausfällt, brauchen wir immer mindestens einen zweiten Weg. Sonst
sind wir völlig abgeschnitten", sagte Timo Röpkes. Neben dem herkömmlichen
Funkverkehr brauche es daher einen einheitlichen Mobilfunkausbau auf See, auch
um etwa Telemedizin im Notfall zu ermöglichen.

Gespräche mit Unternehmen und Aufsichtsbehörden

Zu vielen Punkten gibt es laut der IG Metall bereits Gespräche mit
Unternehmen, Aufsichtsbehörden und Ministerien. Auch Organisationen der
Offshore-Windbranche hatten in einem im vergangenen Herbst veröffentlichten
Papier zu industriepolitischen Handlungsempfehlungen bereits den Bund
aufgefordert, etwa Zuständigkeiten bei der Organisation eines Rettungssystems in
Windparks weit draußen auf den Meeren zu klären. Die IG Metall fordert auch,
Beschäftige, die auf See arbeiten, bei dem Aufstellen von
Arbeitssicherheitskonzepten stärker zu beteiligen./len/DP/ngu

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