30.06.2024 14:12:22 - dpa-AFX: EM 2024/Sitzjubel im Abwehr-Luxus: Rüdiger und Schlotterbeck gefeiert
DORTMUND (dpa-AFX) - Mit einer schnellen Handbewegung fegte Antonio Rüdiger
eine lästige Fliege beiseite. Zack. Problem erledigt. Ziemlich verdutzt hatte
zuvor Jannik Vestergaard in der Schlussphase des EM-Achtelfinals eine skurrile
Jubelszene von Rüdiger nach einer finalen Rettungstat im deutschen Strafraum
verfolgt. Ob kleine Flugtiere in der Interview-Zone oder dänische Abwehrhünen
auf dem Rasen: Mit dem deutschen Defensivchef wollte sich an diesem
Gewitter-Abend in Dortmund wirklich niemand anlegen.
Rüdiger grätschte. Rüdiger blockte. Und Rüdiger holte sich die Trophäe als
bester Spieler beim 2:0 ab. Die Auszeichnung war aber eine Kollektivehrung für
die ganze deutsche Defensive, speziell die Innenverteidigung mit Rüdiger und
seinem neuen Nebenmann Nico Schlotterbeck. Für Torwart Manuel Neuer war der
BVB-Verteidiger der "heimliche Man of the Match". Ein großer Gewinner war
Schlotterbeck auf jeden Fall.
"Es ist Fakt, dass er sehr gut gespielt hat. Ich freue mich auch extrem für
ihn, in seinem Heimstadion so gut gespielt zu haben und den Job perfekt erfüllt
zu haben", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. Perfekter Schlotterbeck mit
einer Passquote von 90 Prozent. So schnell muss er sich nicht mehr nervige
Fragen zu seiner schwachen WM-Performance 2022 gefallen lassen. Grandioser
Rüdiger mit einer Zweikampfquote von 100 Prozent. Solide stand er, als hätte es
nicht eine Woche lang Fitnesszweifel nach einer Oberschenkelzerrung gegeben.
Nagelsmann sieht "Luxussituation"
Zwangsläufig kam nach dem Einzug ins EM-Viertelfinale die Frage auf, was nun
aus dem gelb-gesperrten Jonathan Tah wird, der in den ersten drei EM-Spielen
defensiv geglänzt hatte. Nagelsmann folgt in seinem EM-Rollenspiel solch
schnellen Impulsen nicht. "Es ist keine leichte Entscheidung, aber auch da weiß
jeder Spieler, was verlangt ist, was seine Rolle ist. Du kannst entscheiden
zwischen sehr guten Spielern", sagte der Bundestrainer. "Ich erinnere mich auch
an sehr starke Spiele von Jonathan Tah", betonte der 36-Jährige. Er habe eine
"Luxussituation".
Für Neuer ist die Entscheidung, wer vor ihm zentral spielt, unerheblich. Die
Konzentration müsse auf höchstem Niveau bleiben. "Wir haben auch in den
entscheidenden Situationen das Quäntchen Glück gehabt", sagte er nach dem
Kraftakt gegen Dänemark. "Wir müssen hart arbeiten, um diese Null auch zu
verteidigen."
Besser als beim WM-Sieg 2014
Neuer musste schmunzeln, als er nach dem Spiel auf die Fußball-Weisheit
angesprochen wurde, dass eine starke Defensive Turniere gewinne. "Ja, das
stimmt." Tatsächlich steht die DFB-Elf hinten so gut wie lange nicht. Zwei
Gegentore nach vier Spielen, das war auch die Bilanz beim wundervollen
Sommermärchen 2006. Auf dem Weg zum WM-Sieg in Brasilien 2014 waren es bei einer
ähnlich kompakten Defensive zu diesem Turnier-Zeitpunkt drei Gegentore.
Neuer war in seiner langen Karriere nur bei einem Turnier besser: Bei der EM
2016 ging er ohne Gegentreffer ins Viertelfinale. "Ich hoffe, dass es so
weitergeht. Wir lassen wenig zu, wir stehen stabil hinten", sagte der Torwart
nach seinem 19. EM-Spiel, womit er nun alleiniger DFB-Rekordspieler bei
Kontinentalturnieren ist.
Abwehr-Jubel wie bei einem Tor
Dass der Fokus nach dem Kampf gegen Dänemark sich auf die Defensive
richtete, in der auch die Außenverteidiger Joshua Kimmich und David Raum
überzeugten, gefällt Rüdiger. "Es wird viel über Stürmer gesprochen bei einem
Turnier. Aber es ist wichtig, zu null zu spielen in so einer Phase des Turniers.
Da müssen wir jede Aktion bejubeln", sagte der Champions-League-Sieger von Real
Madrid.
Apropos Jubel: Nicht nur Vestergaard staunte in der verrückten
Schlusssequenz über seinen völlig losgelösten deutschen Gegner. "Ich bin ein
emotionaler Spieler auf dem Platz. Es war ein wichtiger Block, es war wie ein
Tor", sagte Rüdiger./aer/DP/nas