17.06.2024 16:25:24 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: IG Metall will deutliches Gehaltsplus in Metall- und Elektroindustrie
(neu: Details)
FRANKFURT (dpa-AFX) - In der Metall- und Elektroindustrie droht eine harte
Tarifrunde. Der IG-Metall-Vorstand empfiehlt 7 Prozent mehr Geld bei einer
Laufzeit von zwölf Monaten für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten. Die
finanzielle Belastung der Beschäftigten sei hoch, begründete IG-Metall-Chefin
Christiane Benner die Forderungsempfehlung des Gewerkschaftsvorstandes am
Montag. Auch wenn die Inflationsrate sinke, bleibe der Preissockel an den Kassen
hoch. Die Arbeitgeber sehen dagegen keinen großen finanziellen Spielraum. "Die
Metall- und Elektroindustrie befindet sich weiterhin in der Rezession. Die
genannten Vorstellungen klingen aber, als ob wir uns in einem wirtschaftlichen
Boom befinden", kritisierte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf.
Benner sprach auch mit Blick auf die im kommenden Jahr aufgehellten
Konjunkturperspektiven von einer vernünftigen und verantwortungsvollen
Empfehlung. Es gehe auch darum, den Beschäftigten für ihre Leistung und
Situation den nötigen Respekt entgegenzubringen. "Wer dann aber noch vor der
ersten Verhandlung eine Nullrunde fordert, der heizt wirklich diese Debatten
auf", sagte Benner. "Das fanden wir respektlos, so mit den Erwartungen und der
Situation der Beschäftigten umzugehen."
Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie argumentieren, die
angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland lasse keine großen Lohn- und
Gehaltserhöhungen zu. Die Arbeitgeber in Baden-Württemberg machten jüngst
deutlich, dass sie eigentlich nur eine Nullrunde bei den Löhnen für angemessen
halten. "Eine Forderung über der Zahl Null können wir nur als reine
Mitgliederwerbung verstehen, alles andere wäre angesichts der rezessiven Lage
völlig unangebracht", zitierte kürzlich die "Stuttgarter Zeitung" den
Verhandlungsführer von Südwestmetall, Harald Marquardt.
"Bei allem Verständnis für die Anliegen unserer Beschäftigten kommt es
gerade jetzt darauf an, den Standort zu stärken", sagte Gesamtmetall-Präsident
Wolf. "Ich hoffe, die Gremien der IG Metall nutzen die weiteren Beratungen, um
zu einer realistischeren Einschätzung der Lage zu kommen". Der
Arbeitgeberverband rechnet im laufenden Jahr mit einem Produktionsrückgang von
mehr als 3 Prozent in der Metall- und Elektroindustrie.
Warnstreiks ab 29. Oktober möglich
Die Empfehlung ist noch nicht die endgültige Forderung. Darüber will der IG
Metall-Vorstand nach den Diskussionen in den regionalen Tarifkommissionen am 9.
Juli entscheiden. Die Entgelttarifverträge für die Beschäftigten in den
Kernbranchen der deutschen Industrie, zu denen unter anderem der Fahrzeugbau und
der Maschinenbau zählen, laufen zum 30. September des laufenden Jahres aus. Die
ersten Verhandlungen finden nach IG-Metall-Angaben bis spätestens 16. September
statt, also bis spätestens sechs Wochen vor Ende der Friedenspflicht am 28.
Oktober. Warnstreiks wären dann ab dem 29. Oktober möglich.
Nach Daten der gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung sind die Reallöhne
der Tarifbeschäftigten insgesamt in Deutschland wegen der starken Inflation in
den vergangenen Jahren auf den Stand von 2016 zurückgefallen. Vor allem in den
Jahren 2021 und 2022 habe es drastische Reallohnverluste gegeben. Im vergangenen
Jahr sei die Kaufkraft der Beschäftigten zwar weitgehend gesichert worden,
stellte der Leiter des WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung, Thorsten
Schulten, Anfang des Jahres fest. "Um jedoch auch die massiven Reallohnverluste
der beiden Vorjahre ausgleichen zu können, sind in den kommenden Tarifrunden
kräftige Reallohnsteigerungen notwendig."
Bei einer Umfrage der IG Metall, an der sich etwa 318 000 Beschäftigten
beteiligten, gab eine Mehrheit von 59 Prozent an, es sei ihnen besonders
wichtig, ihre gestiegenen Kosten auszugleichen. Weiteren 15 Prozent war die
Stärkung der Kaufkraft besonders wichtig.
Ausbildungsvergütungen sollen überproportional steigen
Der IG Metall zufolge hat die Inflation die steuerfreien Einmalzahlungen vom
letzten Tarifabschluss 2022 aufgefressen. "Die Beschäftigten haben einen
monatlichen Dauerausgleich und eine Anerkennung ihres Einsatzes verdient", sagte
Tarif-Vorständin Nadine Boguslawski. Die Konjunktur brauche zudem eine stärkere
Binnennachfrage als Stütze. Haben die Menschen mehr Geld zur Verfügung, kann das
den Privatkonsum in Deutschland ankurbeln. Die Ausbildungsvergütungen sollen um
170 Euro überproportional angehoben werden.
Bei dem Tarifergebnis möchte die IG Metall die Entgelte der unteren
Einkommensgruppen mit einer sozialen Komponente besser stellen. Sprechen möchte
die IG Metall mit den Arbeitgebern auch über eine Ausweitung der tariflichen
Freistellungszeit. Beschäftigte mit Kindern, Pflegeaufgaben oder in
Schichtarbeit in der Metall- und Elektroindustrie können statt tariflichem
Zusatzgeld bis zu acht zusätzliche freie Tage beantragen. Die IG Metall möchte
dies auf weitere Beschäftigte ausweiten. "Die Ausweitung der bestehenden
Wahloption auch hin zu einer Demokratie- und Ehrenamtszeit oder eine
Verbesserung der bestehenden Regelungen wäre ein wertvoller Beitrag der
Unternehmen, gesellschaftliches Engagement aktiv zu unterstützen", sagte
Tarif-Vorständin Boguslawski./mar/nif/DP/ngu
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