08.07.2024 16:31:07 - dpa-AFX: ROUNDUP 4: Russischer Raketenangriff trifft Kinderklinik in Kiew

(neu: Aktualisierung Opferzahlen.)

KIEW (dpa-AFX) - Einen Tag vor dem Nato-Gipfel in Washington sind durch
schwere Raketenangriffe auf die Ukraine mehr als 30 Menschen getötet worden. In
der Hauptstadt Kiew wurden nach Behördenangaben mindestens 20 Menschen getötet
und mehr als 60 weitere Menschen verletzt. Aus den Industriestädten Krywyj Rih
und Dnipro im Süden der Ukraine wurden mindestens 11 Tote und gut 60 Verletzte
gemeldet.

Fassungslosigkeit löste in Kiew der Treffer auf ein großes Kinderkrankenhaus aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte im sozialen Netzwerk X ein
kurzes Video, das zerstörte Krankenzimmer und Blutspuren auf dem Fußboden
zeigte. Selenskyj sprach davon, dass Menschen verschüttet seien. "Alle helfen,
die Trümmer zu beseitigen - Ärzte und andere Leute", schrieb er.

Selenskyj legte sich nicht fest, ob die Klinik direkt angegriffen worden sei oder die Attacke einem anderen Objekt gegolten habe. Aber er schrieb: "Russland
kann sich nicht unwissend stellen, wohin seine Raketen fliegen, und muss für
alle seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden." Bürgermeister Vitali
Klitschko sprach von 16 Verletzten in dem Krankenhaus, darunter 7 Kindern.

Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko zufolge wurden in dem Kinderkrankenhaus
Abteilungen für Dialyse, Krebsbehandlung, Operationssäle und die Intensivstation
beschädigt. Hunderte Anwohner halfen Rettungskräften, Trümmer zu räumen und nach
Opfern zu suchen. "Kleine Krebs- und Dialysepatienten sitzen mit ihren Müttern
auf dem Bürgersteig", berichtete der deutsche Botschafter Martin Jäger auf X von
einem Besuch am Krankenhaus.

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die
angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen
Videobilder aus Kiew belegten, dass die Schäden durch eine ukrainische
Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hieß es ohne Beleg. Die Erschütterung
der Ukrainer über den Angriff tat das Moskauer Militär als "Hysterie des Kiewer
Regimes" ab, wie sie sich immer wieder vor Zusammenkünften der Nato zeige.
Ukrainischen Berichten zufolge wurde noch ein zweites Krankenhaus in der
Hauptstadt auf der anderen Seite des Dnipro beschädigt.

Auch weitere Städte betroffen

Der private Stromversorger DTEK berichtete von Schäden an drei
Trafostationen in der Hauptstadt. Neben Dnipro und Krywyh Rih wurden auch
frontnahen Städte Slowjansk und Kramatorsk im ostukrainischen Gebiet Donezk zu
Zielen. Angaben zu Treffern auf militärische Ziele oder Rüstungsfabriken wurden
nicht gemacht.

Das russische Militär setzte bei dem Angriff Selenskyjs Angaben zufolge mehr als 40 Raketen ein. Ungewöhnlich war, dass die schwere Attacke tagsüber
stattfand zu Beginn der Arbeitswoche. Schon in der Nacht hatte es Luftangriffe
mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen gegeben.

Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine russische Invasion mit
westlicher Hilfe ab und drängt immer wieder auf die Bereitstellung moderner
Flugabwehrsysteme. Nach jüngsten Angaben hat die Ukraine vier der besonders
leistungsfähigen Patriot-Systeme aus US-Produktion bekommen, braucht aber nach
eigener Einschätzung viel mehr.

Niederlande will Patriot schicken

Ein weiteres System soll aus den Niederlanden kommen. Das bekräftigten
Außenminister Caspar Veldkamp und Verteidigungsminister Ruben Brekelmanns von
der neuen Regierung bei einem Treffen mit dem ukrainischen Außenamtschef Dmytro
Kuleba, wie die Agentur Unian berichtete. Dass ein System zur Verfügung gestellt
wird, war im Juni von der Vorgängerregierung in Den Haag angekündigt worden. Ein
genauer Zeitpunkt für die Lieferung wurde nicht genannt.

Ein weiteres Patriot-System wird von Rumänien in Aussicht gestellt. Kiew
hofft zudem auf weitere Zusagen beim Nato-Gipfel, der am Dienstag in Washington
beginnt. Unter anderem sind bis zu sechs Patriot-Systeme aus Israel im Gespräch.
Die Frage der Unterstützung für die Ukraine ist ein zentrales Thema für das
Treffen des westlichen Verteidigungsbündnisses. Selenskyj traf auf dem Weg zum
Gipfel zunächst zu Gesprächen in Warschau ein.

Orban auf selbsterdachter Friedensmission

Als Vermittler in dem seit mehr als zwei Jahren dauernden Krieg hat sich
zuletzt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban mit Besuchen in Kiew,
Moskau und Peking versucht. Auch wenn Ungarn derzeit die EU-Ratspräsidentschaft
innehat, wird die Mission in Brüssel aber als nicht abgesprochen kritisiert und
als Orbans Privatinitiative gesehen. Präsident Wladimir Putin übergebe durch
Orban keine Botschaft an US-Präsident Joe Biden oder den Nato-Gipfel, sagte
Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau./ast/DP/men

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