26.05.2024 14:21:42 - dpa-AFX: SPORT/Zverev vs. Nadal: Tenniswelt freut sich auf 'Popcorn'-Match

PARIS (dpa-AFX) - Schon vor ihrem mit Spannung erwarteten Sand-Spektakel
beäugten sich die beiden Tennis-Asse Alexander Zverev und Rafael Nadal aus der
Nähe. Als der spanische Sandplatzkönig am Sonntag im verschwitzten grauen
Muskelshirt Aufschläge übte, blickte die deutsche Turnierhoffnung beim Eintritt
ins Trainingscenter Jean Bouin interessiert hinüber. Am Montag stehen sich die
beiden Weltklassespieler im direkten Duell gegenüber. Ein Showdown der
Extraklasse vor 15 000 Zuschauern auf dem Court Philippe Chatrier gleich zum
Auftakt der French Open.

Die Veranstalter bezeichneten es als "Popcorn"-Match der ersten Runde
- vielleicht wird es auch das Highlight des gesamten Turniers. Es hat
alles, was einen großen Schlagabtausch verspricht. Mythos gegen Momentum,
Rekordchampion gegen Olympiasieger. Das Wissen, es könnte Nadals letzter
Auftritt bei seinem Lieblingsturnier auf der Abschiedstour sein. Dazu die
Erinnerungen an das Halbfinal-Drama in Paris vor zwei Jahren, als Zverev zuerst
Nadal auf Augenhöhe begegnet, dann umgeknickt war und anschließend mit dem
Rollstuhl vom Platz geschoben wurde.

"Ich wollte unbedingt in meiner Karriere noch mal gegen Rafa spielen. Ich
wollte nicht, dass meine letzte Erinnerung gegen Nadal ist, wie ich mit dem
Rollstuhl rausgefahren werde", sagte Zverev. Nachdem ihm sein Bruder und Manager
Mischa von der Auslosung berichtet hatte, glaubte er zuerst an einen Scherz.
Inzwischen hat sich der Hamburger mit dem Hammerlos angefreundet. "Ich freue
mich, dass ich gegen so eine Legende noch mal spielen darf."

Zumal die Vorzeichen jetzt andere sind: Nach seinem Masters-Triumph in Rom
geht der zehn Jahre jüngere Zverev als Favorit und absoluter Titelkandidat ins
Match. Der große Nadal (37), der im Stade Roland Garros auf eine surreale
Matchbilanz von 122 Siegen und 3 Niederlagen kommt und hier noch nie in der
ersten Runde ausgeschieden ist, tritt als Außenseiter an. Wegen seiner langen
verletzungsbedingten Ausfallzeit ist er beim zweiten Grand-Slam-Turnier des
Jahres im Gegensatz zum Weltranglisten-Vierten Zverev diesmal nicht gesetzt.

Kurios: Das Spiel wird nicht zur Primetime in Nadals "Wohnzimmer" Court
Philippe Chatrier ausgetragen, sondern nachmittags. Medienberichten zufolge
hätten die Veranstalter einem Wunsch des Spaniers entsprochen. Von Zverev ist
bekannt, dass er frühe Matches eher weniger mag. Ein erstes Psychospielchen?

So oder so wird Zverev neben seinen gewohnten "Waffen" Aufschlag und
Rückhand gegen Nadal auch mentale Stärke brauchen. "Er geht durchs Tor, spielt
auf dem Philippe Chatrier - und irgendwas passiert mit ihm und seinen Gegnern",
sagte Tennis-Ikone Boris Becker bei Eurosport: "Rafa und Roland Garros - das ist
die größte Liebesgeschichte im Tennis."

Becker riet der deutschen Nummer 1, das frühe Highlight-Match möglichst
"emotionslos" anzugehen. Er solle "nicht gegen den Mythos Nadal" spielen,
sondern gegen "den aktuellen Nadal von heute: einen 37 Jahren alten Spanier aus
Mallorca". Ein Rat, den Zverev ganz bewusst in den Wind schlägt. "Bin ich nicht
der Meinung", sagte er darauf angesprochen: "In meinem Kopf gehe ich davon aus,
dass ich gegen einen Rafael Nadal auf dem Höhepunkt spiele."

Gebetsmühlenartig wiederholte Zverev, dass Nadal in Paris wieder "zum alten
Rafael Nadal" und "sein bestes Tennis spielen" werde. "Für mich ist da kein
Fragezeichen." Auch Roger Federer, einst der große Rivale des Spaniers und
"heute ein großer Fan von Rafa", sagte: "Ich glaube, dass Rafa in Roland Garros
immer noch zu einem großen Lauf fähig ist."

Nadal, der das Turnier fast zwei Jahrzehnte nicht nur wegen seiner 14
Gesamtsiege geprägt hat wie kein Zweiter, sieht "zumindest eine kleine
Hoffnung". Seit seinem neuesten Comeback Mitte April hat der 22-malige
Grand-Slam-Turniersieger auf seinem Lieblingsbelag Sand nur durchwachsene
Leistungen gezeigt. Doch im Training habe er sich in den letzten Tagen besser
gefühlt. "Wenn ich tief in meinem Herzen nicht die Hoffnung hätte, hier Erfolg
zu haben", sagte der Ehrgeizling, "wäre ich jetzt nicht hier".

Nur für den warmen Abschiedsapplaus ist Nadal, dessen ruhmreiche Karriere
2024 sehr wahrscheinlich endet, nicht nach Paris gereist. Für die Überraschung
gegen Zverev setzt der Turnierliebling auch auf die "großartige Unterstützung
der Menschen, das gibt mir viel Power".

Zverev weiß, dass die Stimmung auf der Tribüne ein entscheidender Faktor
sein wird. "Die französischen Fans sind sehr laut. Wenn sie für einen sind, ist
es immer viel, viel angenehmer, als wenn sie gegen einen sind", sagte Zverev,
der sich angesichts seiner eigenen speziellen Historie im Turnier auch
Sympathiepunkte erarbeitet hat: "Ich habe eine super Beziehung mit
Paris."/jso/DP/he

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