13.05.2024 07:53:08 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Antiquitäten, Omis und 80 Euro: Reich des 'Bares für Rares'-Waldis

KALL (dpa-AFX) - Wenn eine Kundin seinen Laden betritt, dann beginnt der
Waldi mit seinem Zeremoniell. "Engelchen", sagt er säuselnd und hat dabei schon
einen Schein in der Hand. Darauf gedruckt: Sein Gesicht und der Betrag 80 Euro.
Für den ist er bekannt, aber dazu später mehr. Waldi erklärt der Frau erst
einmal, was damit zu tun ist: "Sollte dein Alter dir mal so richtig auf den Sack
gehen, dann steht da meine Telefonnummer drauf. Dann rufst du mich an". Sein
Versprechen: "Ich rufe den Alten an und bringe dir den wieder in die Spur, bis
der wieder fluffig wird." Auf der Gegenseite wird gekichert. Dann wird noch ein
gemeinsames Foto gemacht, Wange an Wange. Waldi ist zufrieden.

Wenn man Walter Lehnertz, genannt "Waldi", in seinem Laden in der Eifel
besucht, weiß man manchmal nicht, wo man gelandet ist. Bei einem
Antiquitätenhändler, wie es die Schilder ausweisen? Oder bei einem Komiker? Bei
einem Fernsehpromi, bekannt aus der ZDF-Sendung "Bares für Rares"? Oder bei
einem Eintänzer bei einem Damen-Kaffeeklatsch? Oder, ganz neu hinzugekommen, bei
einem Krimiautor?

Denn Waldi Lehnertz hat einen Krimi verfasst, das ist der Anlass für diesen
Besuch. Er trägt den Titel "Mord im Antiquitätenladen" und handelt vom
Antiquitätenhändler Siggi in der Eifel, der plötzlich eine Leiche in seinem
Geschäft entdeckt. Entstanden ist das Buch, das sich - um das Wort aufzugreifen
- fluffig liest, mit einer Co-Autorin, die Waldis Ideen verarbeitete. Vieles
darin basiere auf Geschichten aus seinem Laden, sagt er - also abgesehen von dem
Mord. "Der "Siggi" im Buch ? das bin natürlich ich. Das ist klar." Für ihn ist
der Krimi eine große Sache, auch weil er selbst keine Bücher liest. "Ich habe
nur gezwungenermaßen meine Schulbücher gelesen. Deswegen ist das ja so ein Ding
für mich."

Um zu verstehen, wie aus einem gelernten Pferdewirt aus der Eifel die
Vorlage für eine Krimifigur werden konnte, muss man vorn anfangen. Geboren wurde
Lehnertz 1967 in Prüm. Früher hat er "Bau gemacht". Dann aber kamen mehrere
Bandscheibenvorfälle. Ein Freund sagte zu ihm: "Waldi, du musst dir etwas
einfallen lassen, sonst gehst du in fünf Jahren keinen Meter mehr." Also fing er
als Händler an, klein auf dem Flohmarkt. Privat war er Sammler historischer
Spieluhren, da gab es also schon ein bisschen Expertise.

Heute betreibt Lehnertz eine Art Antiquitäten- und Trödelimperium in der
Eifel. Sein Laden "Waldi´s Eifel Antik", ein früherer Ponyhof, gleicht einer
verschlungenen Großhöhle. Es gibt einen Weg rein, aber viele Wege, sich zu
verlaufen. Was man dabei zu sehen bekommt, erinnert ein wenig an das Geschäft
von Frau Waas auf Lummerland ("Körbe, Hüte, Lampen, Bürsten, Blumenkohl und
Fensterglas, Lederhosen, Kuckucksuhren und noch dies und dann noch das"),
abzüglich der Lebensmittel - ein beeindruckendes Sammelsurium. "Sammlungen sind
erst dann richtig gut, wenn es ins Extreme geht", sagt er. Unter anderem hat er
mal eine Kuli-Sammlung mit 16 000 Stiften aufgekauft. "Die war geil", sagt
Waldi.

"Der Laden ist so aufgebaut: 80 Prozent Antiquitäten, 20 Prozent Flohmarkt.
Ich will, dass hier auch die ärmste Oma mit der kleinsten Rente für fünf Euro
noch eine Hutschenreuther-Vase kaufen kann", erklärt er. "Die gehört genau so
dazu wie der Notar, oder der Bauunternehmer, die hier rumlaufen und eine
Silberschale für 2000 kaufen." Das günstigste, was er hat, sind "so
Porzellan-Fingerhüte".

Überhaupt hat er ein Herz für Omis. "Die dürfen hier alles", sagt er. "Die
sind früher noch mit den Steinen rumgelaufen und heute gibt es kein Geld mehr
für die. Das ist traurig." In diesem Zusammenhang erwähnt er dann auch seinen
Oberschenkel, den er "den härtesten Schenkel der Eifel" nennt. "Wenn hier so ein
Bus ankommt, dann suche ich mir immer die älteste Dame heraus und dann machen
wir ein Foto. Dann setze ich die auf meinen Schenkel und sag: "Boah Mutter
fühlst du dich noch geil an". Dann rasten die völlig aus." Damit könne man
"etwas zurückgeben von dem, was diese Leute früher für uns getan haben."

Viele Leute kommen natürlich, weil Lehnertz mit der populären ZDF-Sendung
"Bares für Rares" bekannt wurde. In der Trödel-Show buhlt er mit anderen
Händlern um die besten Fundstücke. Er füllt dort die Rolle des etwas skurrilen
Typen aus, der aber auch mal sogenannten Tacheles redet. Das, was man kultig
nennt, wurde er aber, weil er oft mit einem Gebot von 80 Euro in die Verhandlung
einsteigt. In seinem Dialekt: "Achtzisch Euro." Mittlerweile nennt er sich
selbst daher "80-Euro-Waldi". Das steht sogar als Künstlername in seinem
Personalausweis, wie er erzählt. "Ich kann jetzt ein Auto kaufen und damit
unterschreiben."

Und genau deshalb drückt er Leuten, die in den Laden kommen, erst einmal
seinen 80-Euro-Spielgeldschein in die Hand, der jetzt seine Visitenkarte ist.
Das Geheimnis eines guten Händlers? Das sei einfach: Man müsse sich um die Leute
kümmern. "Wer hier als Fremder reinkommt, geht als Freund. Deswegen ist das hier
so eine Pilgerstätte", sagt er. "Das ist anders als in einem Möbelhaus. Da
kommen drei Affen mit einem Schlips um den Hals und versuchen, dir etwas
anzudrehen."/idt/DP/jha

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