13.05.2024 07:45:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Bundesweiter Streik am Bau startet in Niedersachsen

HANNOVER (dpa-AFX) - Auf dem Bau wird ab Montag zum ersten Mal seit 17
Jahren gestreikt. In der festgefahrenen Tarifrunde startet die
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ihren angekündigten Ausstand.
Den Auftakt macht am Montag Niedersachsen. Einen Tag später werde der
Arbeitskampf auf weitere Regionen ausgeweitet, sagte ein Sprecher. Gestreikt
werde aber nicht flächendeckend, sondern "punktuell" im gesamten Bundesgebiet.

"Jetzt wird gestreikt, und das massiv", sagte IG-BAU-Chef Robert Feiger.
"Wir werden die Betriebe und Baustellen lahmlegen, weil es die Bauunternehmen
nicht anders wollen. Jetzt haben es die Arbeitgeber in der Hand, ob die Häuser
und Wohnungen fristgerecht fertig werden, ob der Stau aufgrund von
Autobahnbaustellen noch länger wird." Wann und wo genau es zu
Arbeitsniederlegungen kommen soll, ließ die Gewerkschaft zunächst offen. Laut
Arbeitgeberverband könnte es neben Straßenbau und Großbaustellen auch private
Bauherren und Einfamilienhäuser treffen.

Bauindustrie hofft auf schnelle Einigung

"Die Streiks werden zu Bauverzögerungen führen und damit wirtschaftlichen
Schaden anrichten", sagte Uwe Nostitz, Verhandlungsführer der Arbeitgeber und
Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB). "Gerade
jetzt, in konjunkturell schwierigen Zeiten, insbesondere im Wohnungsbau, kommen
Streikmaßnahmen zur Unzeit." Es müsse nun schnell eine Verhandlungslösung
gefunden werden.

Der Baugewerbe-Verband Niedersachsen erklärte, die Mitgliedsfirmen seien auf den Arbeitskampf vorbereitet. "Sicherlich wird es zu streikbedingten
Behinderungen kommen, wir hoffen und appellieren jedoch an die streikenden
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass diese das rechte Augenmaß beachten",
sagte eine Sprecherin. Prognosen über mögliche Beeinträchtigung ließen sich aber
nur schwer treffen. "Wir gehen davon aus, dass es nur zu einer kurzfristigen
streikbedingten Verzögerung auf den Baustellen kommen wird."

Schlichtung brachte keine Lösung

Hintergrund ist die Anfang Mai geplatzte Tarifschlichtung im Bauhauptgewerbe mit 930 000 Beschäftigten. Für den Start des bundesweiten Ausstands habe man
Niedersachsen ausgewählt, weil die dortigen Arbeitgeber zusammen mit einigen
anderen Regionen die Umsetzung des Schlichterspruchs verhindert hätten, so die
Gewerkschaft. Eine zentrale Kundgebung soll am Montag in Osnabrück stattfinden.

Nach drei erfolglosen Verhandlungsrunden hatte der Schlichter Rainer
Schlegel am 19. April zweistufige Lohnerhöhungen vorgeschlagen. Zunächst sollten
die Einkommen zum Mai pauschal um 250 Euro steigen und elf Monate später noch
einmal 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten. Während die IG BAU den
Kompromissvorschlag annahm, lehnten die Arbeitgeberverbände ihn Anfang Mai ab.

An den Schlichterspruch fühle man sich nun nicht mehr gebunden, sagte
IG-BAU-Chef Feiger. Gestreikt werde wieder für die ursprüngliche Forderung von
500 Euro mehr im Monat. "Die Ablehnung des Schlichterspruchs wird den
Bauunternehmen noch auf die Füße fallen, denn jetzt kann es nur teurer werden",
warnte Feiger.

Ablehnung spaltet Arbeitgeberlager

Auch innerhalb der Arbeitgeberverbände gab es Kritik am Scheitern der
Schlichtung. Laut Bauindustrieverband Hamburg Schleswig-Holstein nahmen die
Verbände der Bauindustrie den Schlichterspruch in allen Bundesländern an.
Gescheitert sei er an den Verbänden des Baugewerbes. In der Tarifrunde bilden
Bauindustrie und Baugewerbe eine Tarifgemeinschaft.

Mittlerweile wollen die Arbeitgeber die Löhne der Beschäftigten freiwillig
anheben. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sowie der ZDB
schlugen vor, im Westen fünf Prozent und im Osten sechs Prozent draufzulegen.
Der Vorschlag liegt über ihrem Angebot in den Tarifverhandlungen.

Erster bundesweiter Streik seit 2002

Zuletzt war es 2007 auf dem Bau zum Ausstand gekommen, damals regional
begrenzt auf Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Einen bundesweiten Streik gab
es auf dem Bau zuletzt 2002.

Das Bauhauptgewerbe ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland und mit einem Umsatz von rund 162 Milliarden Euro 2023 laut ZDB eine wichtige Säule für
die deutsche Wirtschaft. Im Immobilienboom hatte die Branche jahrelang die
Konjunktur gestützt, nun ist sie wegen der Krise im Wohnungsbau zum Sorgenkind
geworden./fjo/DP/zb

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