03.07.2024 15:10:35 - dpa-AFX: ROUNDUP/Kreise: Nato gelingt keine Einigung auf mehrjährige Ukraine-Hilfe

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BRÜSSEL (dpa-AFX) - Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist mit dem
Vorhaben gescheitert, die Bündnisstaaten zu mehrjährigen Zusagen für
Militärhilfen für die Ukraine zu bewegen. Die 32 Alliierten konnten sich in
Verhandlungen vor dem nächste Woche beginnenden Gipfeltreffen in Washington
lediglich darauf verständigen, innerhalb des nächsten Jahres Unterstützung im
Umfang von mindestens 40 Milliarden Euro zu leisten. Wie es danach weitergeht,
soll beim Gipfel im Jahr 2025 besprochen werden. Er wird von den Niederlanden
ausgerichtet.

Unklar bleibt auch, wie eine faire Lastenteilung gesichert werden soll. So
konnte in den Verhandlungen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur
keine konkrete Vereinbarung darüber getroffen werden, wer wie viel von den
mindestens 40 Milliarden Euro beisteuert. Die Nato-Staaten halten demnach nur
vage fest, dass sie versuchen wollen, einen Anteil beizusteuern, der in etwa
ihrem Anteil an der Wirtschaftskraft aller Nato-Staaten entspricht.

Die neue Ukraine-Zusage für den Zeitraum von zwölf Monaten soll in der
kommenden Woche beim Treffen der Staats- und Regierungschefs öffentlich gemacht
werden. Sie ist das Ergebnis monatelanger Verhandlungen und wurde vom
Nordatlantikrat am Mittwoch in einem schriftlichen Verfahren angenommen.

Mehrjährige Zusage war das Ziel

Nato-Generalsekretär Stoltenberg hatte die Alliierten zuletzt dazu
aufgefordert, eine mehrjährige Finanzierungszusage für Militärhilfen im Wert von
jährlich mindestens 40 Milliarden Euro zu machen. Es gehe dabei auch darum, dem
russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen, dass er seinen Angriffskrieg
gegen die Ukraine nicht gewinnen werde, erklärte er Ende Mai bei einem Treffen
mit den Außenministern der 32 Nato-Staaten in Prag. Der Betrag von 40 Milliarden
Euro würde in etwa der bisherigen jährlichen Unterstützung der Alliierten seit
dem Beginn der russischen Invasion entsprechen, argumentierte er.

Zur Frage, wie eine faire Lastenteilung gewährleistet werden könnte, sagte
Stoltenberg damals, eine Option sei es, den Beitrag der einzelnen
Mitgliedsstaaten auf Grundlage von deren Bruttoinlandsprodukt zu berechnen. Sie
stieß nach Angaben von Diplomaten aber vor allem bei Mitgliedstaaten auf
Widerstand, die bislang nur einen vergleichsweise geringen Anteil ihrer
Wirtschaftskraft für die militärische Unterstützung der Ukraine ausgeben. Dazu
zählen etwa Frankreich, Spanien und Italien.

Für Länder wie Deutschland oder die baltischen Staaten wäre der Vorschlag
hingegen kein Problem gewesen, weil sie im Verhältnis zum BIP zuletzt einen
relativ hohen Anteil an den Militärhilfen der Nato-Staaten hatten. Zuletzt waren
in der Bundesrepublik für das laufende Jahr mehr als sieben Milliarden Euro
eingeplant.

Druck auf Länder mit vergleichsweise geringen Militärhilfen sollen nun
regelmäßige Berichte über die Anstrengungen der Alliierten ausüben. Sie werden
den Planungen zufolge zweimal im Jahr erstellt.

Zu den Ländern, die keine mehrjährige Zusage machen wollten, zählten nach
Angaben aus Bündniskreisen insbesondere auch die USA. Dort ist die
Ukraine-Unterstützung derzeit auch ein Thema im Präsidentschaftswahlkampf
zwischen Amtsinhaber Joe Biden und Herausforderer und Ex-Präsident Donald Trump.
Trump behauptete zuletzt, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden
stoppen zu können.

Plan für Koordinierungseinsatz und Sondergesandten steht

Etwas einfacher als die Diskussionen ums Geld verlaufen vor dem Gipfel
bislang die Vorbereitungen für ein Paket mit praktischer Unterstützung für die
von Russland angegriffene Ukraine. So ist bereits nahezu sicher, dass die Nato
beim Gipfel einen neuen Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte starten wird. Das
Hauptquartier dafür soll in Wiesbaden in Deutschland aufgebaut werden.

Zudem wurde nach Angaben eines Sprechers beschlossen, eine Art
Sonderbeauftragten in die ukrainische Hauptstadt Kiew zu entsenden. Der ranghohe
Beamte soll dort vor Ort die politische und praktische Unterstützung des
Bündnisses steuern.

Die Nato hat bereits seit knapp einem Jahrzehnt eine offizielle Vertretung
in Kiew, die auch ein seit Ende der 90er Jahre existierendes Verbindungsbüro und
ein Informations- und Dokumentationszentrum steuert. Sie kümmert sich unter
anderem um Kontakte mit ukrainischen Ministerien und Behörden und soll den
politischen Dialog und die praktische Zusammenarbeit zwischen der Nato fördern.

Projekt für das Szenario Trump

Das Nato-Projekt zur Koordinierung von Waffenlieferungen und
Ausbildungsaktivitäten gilt auch als Vorkehrung für den Fall einer möglichen
Rückkehr von Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025. Äußerungen des
Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die
Ukraine unter seiner Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland
unterstützen werden. Im Bündnis wird befürchtet, dass von einem politischen
Kurswechsel in Washington auch die bislang US-geführte Koordinierung von
Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte
betroffen sein könnte./aha/DP/nas

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