27.06.2024 19:53:53 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Gericht bestätigt Militäreinsatz bei Protesten in Kenia

NAIROBI (dpa-AFX) - Trotz der versprochenen Rücknahme des umstrittenen
Steuergesetzes gehen in Kenia die Proteste gegen die Regierung von Präsident
William Ruto weiter. Die Entscheidung, das Militär zur Unterstützung der Polizei
hinzuzuziehen, beschäftigte am Donnerstag ein Gericht in Nairobi.

Während gepanzerte Militärfahrzeuge in der Stadt zu sehen waren, entschied
das Gericht am Abend, der vom Parlament genehmigte Einsatz sei rechtmäßig
angesichts des Ausbruchs der Gewalt bei den Protesten, die von der Polizei nicht
unter Kontrolle gebracht werden konnten. Es wies damit einen Einspruch der
Anwaltsvereinigung zurück.

Am Dienstag hatten hunderte Demonstranten das Parlament gestürmt und einen
Teil des Gebäudes in Brand gesetzt.

Richter Lawrence Mugambi sah aber auch einen "gefährlichen Trend", der zur
Militarisierung des Landes führen könne. Zudem könne der Einsatz des Militärs
die Bevölkerung einschüchtern. Mugambi forderte von der Regierung daher
innerhalb von zwei Tagen präzise Angaben über Umfang und Dauer des Einsatzes.

In der Hauptstadt Nairobi herrschte am Donnerstag angespannte Stimmung.
Demonstranten hatten einen Marsch zum State House, dem Amtssitz des Präsidenten,
angekündigt. Dies konnten sie allerdings nicht durchsetzen: Die Zufahrtsstraßen
waren weiträumig abgesperrt, überall in der Stadt waren zahlreiche Polizisten
sowie hinzugezogenes Militär stationiert. Auch die Straßen rund um das
Parlament, das am Dienstag von Demonstranten gestürmt worden war, waren
gesperrt.

In den Mittagsstunden versammelten sich in der Innenstadt von Nairobi erste
Demonstranten. Viele Geschäfte dort waren verbarrikadiert. Die Polizei setzte
Tränengas gegen die Protestierenden ein, wie auf Fernsehbildern zu sehen war.
Auch Schüsse waren zu hören. Die Zahl der Demonstranten war deutlich geringer
als am Dienstag - vermutlich auch, weil viele Straßen in die Innenstadt
abgesperrt waren.

Demonstrationen gab es am Donnerstag Medienberichten zufolge auch in anderen Städten Kenias. Im westkenianischen Kisumu zogen mehrere Hundert Demonstranten
zur dortigen Präsidentenlodge, einem alternativen Amtssitz des Präsidenten, und
versammelten sich zu einem friedlichen Sitzprotest, wie die Zeitung "Nation"
berichtete. In Mombasa mischten sich nach Angaben einer Demonstrantin
Gewalttäter unter die Protestierenden und versuchten, Geschäfte zu plündern.
"Die haben nichts mit uns zu tun", sagte sie dem Fernsehsender KTN.

Wie bereits an den vergangenen Tagen meldeten Kliniken Behandlungen von
Demonstranten mit Schussverletzungen. Die Ärztegruppe "Medics for Kenya"
berichtete, ein freiwilliger medizinischer Helfer sei in Nairobi festgenommen
worden. Außerdem kritisierte die Gruppe, dass die Polizei Tränengas gegen Ärzte
und Sanitäter an einem Sammelpunkt für Verletzte auf dem Gelände einer Moschee
in der Innenstadt von Nairobi eingesetzt habe.

In einer Videobotschaft rief Martin Luther King, der älteste Sohn des
gleichnamigen amerikanischen Bürgerrechtlers, beide Seiten dazu auf, keine
Gewalt auszuüben. King hält sich derzeit in Kenia auf. "Die Welt blickt auf
Kenia, während seine Bürger auf den Straßen protestieren, um ihrer Stimme Gehör
zu verschaffen", sagte er. "Wir bitten euch inständig, euch an die gewaltige
Macht gewaltlosen Protests zu erinnern."

Die Proteste Tausender junger Kenianer im ganzen Land hatten vergangene
Woche begonnen und waren bis zum Sturm auf das Parlament am Dienstag
ausgesprochen friedlich verlaufen. Auslöser waren geplante Steuererhöhungen. Die
Polizei ging von Anfang an hart gegen die Demonstranten vor und setzte auch
scharfe Munition ein. Allein am Dienstag kamen nach Angaben von
Menschenrechtsgruppen mindestens 22 Menschen bei den Protesten ums Leben,
während Ruto von sechs Toten sprach. Ruto hatte am Mittwoch erklärt, das vom
Parlament verabschiedete Steuergesetz nicht zu unterschreiben und
zurückzuziehen. Die Aktivisten wollen ihre Proteste dennoch fortsetzen, sie
fordern auch den Rücktritt des Präsidenten./czy/DP/he

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