14.07.2024 01:48:26 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Prozess gegen Alec Baldwin eingestellt - Tränen im Gericht

SANTA FE (dpa-AFX) - Das Prozessdrama um den Todesschuss beim Dreh des
Westerns "Rust" nimmt ein überraschendes Ende - im Gericht von Santa Fe (New
Mexico) kommt es dabei zu emotionalen Szenen. Der wegen fahrlässiger Tötung
angeklagte Schauspieler Alec Baldwin bricht in Tränen aus, als die Richterin in
dem Prozess einen Schlussstrich zieht. Auf Antrag von Baldwins Verteidigern
stellt Richterin Mary Marlowe Sommer am Freitag (Ortszeit) das Verfahren gegen
den Hollywood-Star ein.

Die Verteidiger hatten der Staatsanwaltschaft die Vorenthaltung von
Beweismitteln und damit grobes Fehlverhalten vorgeworfen. Mit ernster Miene
stimmte die Richterin nach einem juristischen Hin und Her im Gerichtssaal zu.
Die späte Entdeckung dieser Beweismittel würde die "grundsätzliche Fairness" des
Verfahrens beeinflussen, sagte Sommer. Es gebe keine Möglichkeit für das
Gericht, dieses Versäumnis richtigzustellen, fuhr sie fort. Die Einstellung des
Verfahrens sei der einzige Rechtsbehelf.

Baldwin bricht in Tränen aus

Baldwin hört den Ausführungen der Richterin mit Tränen in den Augen zu. Er
nimmt die Brille ab, hält sich sichtlich überwältigt und erleichtert eine Hand
vor die Augen. Der Schauspieler bricht in Tränen aus, umarmt gerührt seine
Anwälte, dann fällt er seiner Ehefrau, Hilaria Baldwin, in die Arme. Im Fall
einer Verurteilung hätten dem achtfachen Familienvater bis zu 18 Monate Haft
gedroht.

Später meldet sich Baldwin bei Instagram zu Wort: "Es gibt zu viele
Menschen, die mich unterstützt haben, denen ich jetzt danken muss. Allen sage
ich, dass ihr niemals wissen werdet, wie sehr ich eure Freundlichkeit meiner
Familie gegenüber schätze."

In dem Prozess ging es um die Frage, ob der 66-jährige Schauspieler bei dem
tödlichen Schuss auf eine Kamerafrau am Filmset des Westerns "Rust" 2021
fahrlässig gehandelt habe und deshalb ins Gefängnis müsse. Hauptdarsteller
Baldwin hatte bei Proben einen Revolver gezückt, wie vom Regisseur verlangt.
Doch statt harmloser Platzpatronen löste sich scharfe Munition. Eine Kugel traf
Kamerafrau Halyna Hutchins (42) und verletzte sie tödlich.

Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft

Baldwins Verteidiger machten nun geltend, dass ihnen die Staatsanwaltschaft
wichtige Beweismittel vorenthalten habe. Es geht um eine Reihe von
Patronenkugeln, die vor wenigen Monaten aufgetaucht waren und die am Freitag in
einem Umschlag von der Richterin vor Gericht präsentiert wurden. Aus Sicht der
Verteidiger hätte diese Munition früher in ballistischen Untersuchungen Teil des
Verfahrens sein müssen - die Staatsanwaltschaft habe sie aber unterschlagen,
argumentierten Baldwins Anwälte.

Viele offene Fragen

Die Frage, woher die scharfe Munition stammte, ist bis heute nicht
vollständig geklärt. Im Frühjahr stand bereits die junge Waffenmeisterin Hannah
Gutierrez-Reed in Santa Fe vor Gericht. Sie war bei dem Dreh für Sicherheit beim
Umgang mit Waffen verantwortlich. Neben Platzpatronen und sogenannten
Dummy-Patronen fanden die Ermittler sechs echte Patronen. Eine davon wurde beim
Laden in die Revolvertrommel eingelegt. Die Anklage hielt Gutierrez-Reed vor,
Sicherheitsvorkehrungen missachtet und die Munition nicht geprüft zu haben. Die
Jury sprach die Frau im März wegen fahrlässiger Tötung schuldig. Richterin
Sommer verhängte die Höchststrafe - 18 Monate Haft.

Ein früherer Polizist hatte die nun vor Gericht gezeigte scharfe Munition im März bei den Ermittlern in Santa Fe abgegeben. Die Haupt-Strafverfolgerin, Kari
T. Morrissey, entschied aber, dass diese nichts mit dem Fall zu tun hatte, weil
sie sich aus ihrer Sicht zu sehr von den Kugeln am "Rust"-Set unterschied. Die
Richterin stellte das nun in Frage. Zudem rügte sie Morrissey scharf, dass
dieses mögliche Beweismittel nicht in den Unterlagen für den "Rust"-Prozess
aufgeführt und den Verteidigern vorenthalten wurde. Die Beweismittel seien
regelrecht vor ihnen verborgen worden, lamentierte Baldwins Anwalt Luke Nikas im
Gericht.

Langer Rechtsweg

Für Baldwin endet eine lange juristische Achterbahnfahrt. Von Beginn an
hatte der Schauspieler auf seine Unschuld gepocht. Nur wenige Wochen nach dem
tödlichen Schuss beteuerte er in einem TV-Interview: "Ich habe nicht
abgedrückt." Er würde niemals mit einer Waffe auf eine Person zielen und
abdrücken. Er habe "keine Ahnung", wie die scharfe Munition ihren Weg in die
Waffe fand.

Die erste Anklage gegen Baldwin und Gutierrez-Reed wurde dann im Januar 2023 erhoben, die Vorwürfe gegen den Schauspieler wurden aber drei Monate später
zunächst wieder fallen gelassen. Es seien weitere Untersuchungen und forensische
Analysen notwendig, hieß es. Die FBI-Ermittler prüften etwa, ob eine mögliche
Fehlfunktion des Colts zum Auslösen geführt haben könnte. Ein Gutachten von
Schusswaffenexperten ergab jedoch, dass der Abzug betätigt worden sein musste.
Mit neuen Beweisen in der Hand ging die Anklage im Januar 2024 wieder gegen
Baldwin vor - der plädierte erneut auf "nicht schuldig".

Neue Verfahren in dem Fall möglich

Auch nach dem Ende des Prozesses gegen Baldwin gibt es weiterhin offene
Fragen - gut möglich, dass weitere Aspekte des Falls erneut vor Gericht kommen.
Brian Panish, ein Anwalt des Ehemanns des Opfers, erklärte: "Wir respektieren
die Entscheidung des Gerichts. Wir streben an, einer Geschworenenjury alle
Beweise vorzulegen und Herrn Baldwin für sein Handeln im Zusammenhang mit dem
sinnlosen Tod von Halyna Hutchins zur Verantwortung zu ziehen." Der Ehemann der
Toten hatte sich mit Baldwin und der Produktionsfirma außergerichtlich auf eine
Entschädigung geeinigt, allerdings hatte das Branchenmagazin "Variety"
berichtet, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei den Zahlungen gekommen sei und
deshalb der Witwer und sein Anwalt über eine erneute Klage nachdenken würden.

Am Samstag erklärte auch Gloria Allred, eine Anwältin der Eltern der
Verstorbenen, dass sie weiter beabsichtige, Zivilklagen zu dem Fall zur
Verhandlung zu bringen. Dabei geht es um Entschädigungen für den entstandenen
Schmerz durch den Tod ihres Kindes. Das Ende des Prozesses ändere nichts daran,
dass Baldwin Hutchins getötet habe, sagte Allred. Außerdem hat Gutierrez-Reed
schon vor Wochen Einspruch gegen das Schuldurteil gegen sie eingelegt, die
Waffenmeisterin verlangt ein neues Verfahren.

Baldwins planen Reality-Show

Auch von den Baldwins dürfte die Öffentlichkeit bald mehr erfahren. Im Juni
hatte das Ehepaar ein neues Familienprojekt angekündigt. Die Reality-Show "The
Baldwins" soll im kommenden Jahr beim US-Sender TLC starten./mub/cfa/DP/he

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