26.06.2024 13:13:32 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Weitere Anträge im Prozess gegen Höcke wegen Nazi-Parole

HALLE (dpa-AFX) - Im Prozess gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn
Höcke wegen einer Nazi-Parole haben dessen Verteidiger zahlreiche Anträge
gestellt. Sie verlangten am Mittwoch vor dem Landgericht Halle, die Teilnehmer
des Stammtisches, bei dem der Spruch gefallen war, zu ermitteln und anzuhören.
Damit könne bewiesen werden, dass sie sich nicht durch Höcke aufgefordert
gefühlt hätten, die Parole zu vervollständigen. Die Staatsanwaltschaft sprach
sich dafür aus, alle Anträge abzulehnen und stellte zugleich Höckes
Demokratieverständnis infrage.

Die Staatsanwaltschaft hat Höcke angeklagt, weil er bei einem AfD-Stammtisch mit rund 350 Teilnehmern im thüringischen Gera im vergangenen Dezember die
verbotene Nazi-Parole "Alles für Deutschland" angestimmt haben soll. Er sprach
die ersten beiden Worte und animierte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft durch
Gesten das Publikum, den Spruch zu vervollständigen. Die Parole wurde einst von
der Sturmabteilung (SA) verwendet, der paramilitärischen Kampforganisation der
Nazi-Partei NSDAP. Höcke bezeichnet sich als unschuldig.

Seine Verteidiger wollen zudem beweisen, dass die Parole im
Nationalsozialismus keine zentrale Bedeutung gehabt haben und auch nicht weit
verbreitet gewesen sein soll. Dazu beantragten sie, Historiker als Zeugen
heranzuziehen, und verwiesen auf verschiedene Publikationen zur SA und zum
Nationalsozialismus. Höcke selbst hatte bereits gesagt, dass er die Verwendung
der Losung nicht für strafbar halte.

Die Staatsanwaltschaft äußerte sich in eigenen Anträgen indes kritisch zu
öffentlichen Äußerungen Höckes zu dem Prozess. In einem auf Telegram
verbreiteten Video habe der AfD-Politiker gesagt, dass "politische
Schauprozesse" aufgearbeitet werden müssen und es nach einer Übernahme der Macht
durch die AfD wieder eine freie Justiz geben werde. Statt Einsicht und Reue zu
zeigen, kündige der Angeklagte einen persönlichen Rachefeldzug gegen die
beteiligten Juristen an, sagte der Anklagevertreter Benedikt Bernzen. Dies zeige
ein Demokratieverständnis, das mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung
nicht vereinbar sei.

Ursprünglich hatte das Gericht für Mittwoch selbst einen Sachverständigen
als Zeugen geladen. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass der Historiker sich
in der Vergangenheit negativ über die AfD geäußert habe, sagte der Vorsitzende
Richter Jan Stengel. "Wir haben ihn abgeladen, weil das geht einfach nicht."

Das Landgericht Halle hatte den 52-jährigen Höcke bereits zu einer
Geldstrafe verurteilt, weil er die gleiche Nazi-Parole auch im Mai 2021 bei
einer Wahlkampfveranstaltung im sachsen-anhaltischen Merseburg nutzte.
Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht, denn Höcke legte Revision ein. Damals
wie auch nun lautet der Tatvorwurf Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
und terroristischer Organisationen.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen am 1. September will der frühere
Geschichtslehrer als AfD-Spitzenkandidat ins Rennen gehen. Seine Partei wird vom
Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Mehr als zwei Verhandlungstage hat das Gericht bislang nicht anberaumt.
Nachdem es am Mittwoch jedoch zwei mehrstündige Beratungspausen gegeben hatte,
deutete der Vorsitzende Richter an, dass weitere Verhandlungstage nötig werden
könnten. Offen ist damit, ob am Mittwoch die Plädoyers gehalten werden und auch
ein Urteil verkündet wird. Im ersten Prozess gegen Höcke hatte das Landgericht
Halle das Urteil um 19.00 Uhr verkündet./dh/DP/stk

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