27.06.2024 12:08:05 - dpa-AFX: SPORT/Ärger vorm Achtelfinale: Belgischer Riss zwischen Fans und Spielern

STUTTGART (dpa-AFX) - Er habe eigentlich nur eine Botschaft an die Fans,
sagte Domenico Tedesco: "Wir brauchen sie." Belgiens Fußball-Nationalmannschaft
trifft im Achtelfinale in Düsseldorf am Montag (18.00 Uhr) auf Titelanwärter und
Vizeweltmeister Frankreich - wegen der großen Namen ein echter Knaller bei
dieser EM. Doch von Vorfreude ist bei den Roten Teufeln und ihrem Trainer wenig
zu spüren. Im Gegenteil: Die Stimmung ist gereizt, ein Großteil der Anhänger
verärgert. Dass die Belgier die K.o.-Phase erreicht haben - aus Sicht der Fans
schön und gut. Gemessen an den Ansprüchen aber auch das Mindeste. Sie wollen
mehr sehen von ihrem hochdekorierten Kader um Mittelfeld-Star Kevin De Bruyne
von Manchester City.

Laute Pfiffe nach Remis gegen Ukraine

"Alles ist möglich", sagte Tedesco mit Blick auf den Hit gegen Frankreich.
"Wir sind bereit." Wer den biederen Auftritt seiner Mannschaft beim 0:0 im
abschließenden Gruppenspiel gegen die Ukraine am Mittwoch gesehen hat, dürfte
daran aber zweifeln. Pfiffe und Buhrufe gab es für die belgischen Spieler nach
dem wenig erheiternden Vortrag auf dem Rasen. Die Vehemenz der Kritik von den
Rängen war durchaus bemerkenswert - und für den Trainer eine Überraschung, wie
er einräumte. "Wir müssen die Pfiffe akzeptieren", sagte Tedesco. Seine Spieler
würden sie allerdings nicht verstehen.

Ob die Mannschaft diese Pfiffe verdient hat? "Ich denke nicht", sagte
Verteidiger Wout Faes. Das Wichtigste sei gewesen, weiterzukommen. Es sei
"schade", dass die Kurve so reagiert habe. Man habe daher entschieden, in die
Kabine zu gehen. Auf halbem Weg Richtung Fans war De Bruyne nach dem
Schlusspfiff wieder umgekehrt. Tedesco und sein Team bildeten auf dem Feld noch
einen Kreis, ehe sie in die Kabinen der Stuttgarter Arena gingen. Bei ihrer
kurzen Besprechung störte sie noch eine Kamera - wie so Vieles an diesem Tag.

Anreise, Laserpointer - Tedesco hadert

Es sei offenbar "alles erlaubt", fauchte Tedesco. Bei der Anfahrt der
Belgier zum Stadion habe es eine gewaltige Verzögerung gegeben. "Wir sind ohne
Blaulicht von der Polizei hierher eskortiert worden, die Straßen waren
vollkommen frei, sie sind mit 20 oder 25 Km/h gefahren und an jeder Ampel
stehengeblieben", berichtete der 38-Jährige. Das sei doch "unglaublich." Während
der Partie fuchtelten Fans dann auch noch mit Laserpointern herum, irritierten
dadurch unter anderem Belgiens Offensiv-Ass De Bruyne.

Seine Mannschaft habe schon mit Widerständen zu tun bei diesem Turnier, gab
Tedesco zu verstehen. Er erinnerte auch noch mal an das erste Gruppenspiel gegen
die Slowakei (0:1), in dem das aberkannte Tor von Sturmtank Romelu Lukaku zum
vermeintlichen Ausgleich für Diskussionen gesorgt hatte. Trotz allem seien die
Belgier weitergekommen. Er sei daher "wirklich stolz" auf seine Spieler, so der
Coach.

Kein Titel für die Goldene Generation?

Viel fehlte am Ende nicht, genau genommen nur ein ukrainisches Tor, und die
Belgier hätten sich wie bei der WM 2022 in Katar schon nach der Vorrunde
verabschiedet. Womöglich ist der Ärger ihrer Fans auch mit einer gewissen Sorge
zu erklären. Der Sorge, dass die goldene Generation dieser Mannschaft um De
Bruyne (32), Lukaku (31), Verteidiger Jan Vertonghen (37) oder den aktuell
angeschlagenen Axel Witsel (35) ihre Karriere irgendwann ohne großen
Nationalmannschaftstitel beendet und eine neue Riege an Hoffnungsträgern erst
noch heranwachsen muss.

Er habe auf Clubebene viel gewonnen, in seiner Karriere aber auch schon oft
"schwierige Momente" gehabt, erklärte De Bruyne. Es sei "nicht einfach, so etwas
zu durchleben." Man müsse wissen, wie man damit umgeht. An den Anhang richtete
der Kapitän die gleiche Botschaft wie sein Trainer: "Wir brauchen die Fans. Wir
brauchen sie gegen Frankreich."/lot/DP/tih

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