02.07.2024 12:35:15 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Ampel will härtere Regeln für pöbelnde Abgeordnete einführen

BERLIN (dpa-AFX) - Wer im Plenum des Bundestages andere Abgeordnete
persönlich beleidigt oder im Ausschuss herumschreit, soll dafür künftig stärker
sanktioniert werden können. Das sieht ein von Ampel-Politikern vereinbarter
Antrag vor, der an die Fraktionen verschickt wurde. Die an seiner Formulierung
beteiligten Parlamentarier von SPD, Grünen und FDP halten darin fest, dass in
Zukunft automatisch ein Ordnungsgeld fällig werden soll, wenn ein Abgeordneter
innerhalb von drei Sitzungswochen drei Ordnungsrufe kassiert.

Ordnungsgeld soll auf 2.000 Euro angehoben werden

Die Höhe des Ordnungsgeldes soll nun außerdem verdoppelt werden - also auf
2.000 Euro steigen, beziehungsweise 4.000 Euro im Wiederholungsfall.

Bisher heißt es in der Geschäftsordnung lediglich: "Wegen einer nicht nur
geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages kann der
Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf
ergangen ist, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen. Im
Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2.000 Euro."

Geplant ist nach Angaben der Koalitionäre, dass über den Antrag am Mittwoch
in erster Lesung beraten werden soll. Vertreter der Regierungskoalition haben
der Deutschen Presse-Agentur berichtet, sie hätten sich mit der Unionsfraktion
zwar nicht auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können, hielten aber weiter
an diesem Ziel fest.

Anhörungen sollen nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden können

"Wir wollen auch die Rechte der Oppositionsfraktionen erweitern: Von ihnen
verlangte öffentliche Anhörungen müssen künftig innerhalb von zehn
Sitzungswochen behandelt werden", sagt Filiz Polat von den Grünen. Bisher gab es
dazu keine zeitlichen Vorgaben. In dem Antrag wird zudem vorgeschlagen, in der
Geschäftsordnung den Satz zu ergänzen: "Jegliche beleidigenden oder
diskriminierenden, insbesondere rassistischen oder sexistischen Äußerungen oder
Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen
unterlassen werden."

Vizepräsidenten: Zusätzliche Bedingungen ab dem 4. Wahlverfahren

Die AfD versucht seit ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag 2017 immer
wieder vergeblich, einen Abgeordneten aus ihrer Fraktion zum Vizepräsidenten
wählen zu lassen. Bisher erreichte jedoch keiner der von ihr vorgeschlagenen
Kandidaten die dafür erforderliche Mehrheit. In Zukunft soll eine Fraktion laut
dem nun vorgelegten Antrag nach dem dritten erfolglosen Wahlverfahren nur dann
einen weiteren Kandidaten aufstellen dürfen, wenn ein solches weiteres
Wahlverfahren von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages
unterstützt wird.

Ausschussvorsitzende sollen bei Störungen durchgreifen können

Erweitert werden soll zudem das Instrumentarium der Ausschussvorsitzenden.
Laut Antrag soll der Vorsitz eine formelle ordnungsrechtliche Kompetenz
gegenüber Mitgliedern erhalten. Bei erheblichen Störungen soll der Vorsitzende
mit der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit künftig den Störer von der
weiteren Beratung ausschließen können. Die Geschäftsordnung des Bundestages
stamme im Wesentlichen aus dem Jahr 1980, sagt Johannes Fechner (SPD). Eine
grundlegende Modernisierung sei notwendig. Es gehe auch darum, lebendigere
Debatten zu ermöglichen, betont Stephan Thomae (FDP). Beispielsweise sollten nun
auch in Aktuellen Stunden Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen zugelassen
werden.

AfD-Justiziar Brandner sieht in dem Antrag Licht und Schatten

Die Änderungen beim Ordnungsgeld sieht der AfD-Justiziar, Stephan Brandner,
kritisch. "Das geht natürlich voll gegen uns", sagt er der dpa. Überhaupt findet
er, die geplante Reform "zementiert teils rechtswidriges Verhalten der letzten
Jahre". Dass die Ausschussvorsitzenden mehr Instrumente in die Hand bekommen
sollen, findet er dagegen nicht schlecht. Auch der Vorschlag,
Zwischenbemerkungen in Aktuellen Stunden zu erlauben, sei "in Ordnung".

Union befürchtet Einschränkung der freien Rede

Die CDU/CSU-Fraktion betont, sie sei prinzipiell für eine Stärkung des
parlamentarischen Ordnungsrechts und habe hierfür auch früh Vorschläge
unterbreitet. "Eine Einschränkung der freien Rede im Parlament lehnen wir jedoch
entschieden ab", betont ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Thorsten Frei
(CDU). Er findet, die Vorschläge der Koalition gehen zu weit - da dort allgemein
auf "diskriminierende" Äußerungen abgestellt werde. Frei sagt: "Solch
unbestimmte Begriffe schädigen die Debattenkultur im Bundestag."/abc/DP/mis

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