28.06.2024 06:30:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: EU legt Beitrittsprozess von Georgien vorerst auf Eis

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Europäische Union legt den Beitrittsprozess von
Georgien vorerst auf Eis. Grund ist der aktuelle Kurs der politischen Führung in
Tiflis, wie aus einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom
Gipfeltreffen in Brüssel hervorgeht.

In dem Text heißt es, der Europäische Rat äußere seine ernsthafte Besorgnis
über die jüngsten Entwicklungen in Georgien. Die dortigen Behörden müssten den
aktuellen Kurs umkehren, denn dieser gefährde Georgiens Weg in die EU und führe
"de facto zu einem Stopp des Beitrittsprozesses".

Der EU-Kandidatenstatus war dem 3,7-Millionen-Einwohner-Land erst im
vergangenen Dezember zuerkannt worden, nachdem es kurz nach Beginn des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Aufnahme in die EU beantragt
hatte.

Gesetz führte zu Massenprotesten

Als konkretes Beispiel für die negativen Entwicklungen in der früheren
Sowjetrepublik an der Südgrenze Russlands nennen die Staats- und Regierungschefs
ein neues Gesetz zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft. Dieses war im
Mai trotz wochenlanger Massenproteste gegen das "russische Gesetz" vom Parlament
verabschiedet worden. Es überstimmte dabei auch ein Veto der proeuropäischen
Präsidentin Salome Surabischwili.

Die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Parlament die Mehrheit hält,
verschärft mit dem Gesetz konkret die Rechenschaftspflicht von
Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem
Ausland erhalten. Sie begründet dies mit höherer Transparenz. Ein ähnliches
Gesetz in Russland stempelt diese vom Ausland unterstützten Organisationen als
"ausländische Agenten" ab.

Mahnungen nach Tiflis

Die Staats- und Regierungschefs der EU sehen in dem georgischen Gesetz
"einen Rückschritt in Bezug auf Empfehlungen der EU-Kommission für den
EU-Beitrittskandidatenstatus. Zum Vorgehen von Behörden gegen Kritiker schreiben
sie, man fordere ein Ende der zunehmenden Einschüchterungen, Drohungen und
körperlichen Angriffe gegen Vertreter der Zivilgesellschaft, politische
Führungspersönlichkeiten und zivile Aktivisten und Journalisten.

Zudem wird in der Erklärung daran erinnert, dass die Achtung der Werte und
Prinzipien, auf denen die Europäische Union gegründet seien, für jedes Land, das
eine Mitgliedschaft anstrebe, von wesentlicher Bedeutung seien. Es müsse auch
sichergestellt werden, dass die Parlamentswahlen in diesem Herbst frei und fair
seien.

Gute Kontakte nach Moskau

Was genau hinter dem Kurs der Regierung in Tiflis steckt, ist bislang
unklar. Paradox ist, dass die Regierung von Georgischer Traum die erfolgreichen
Gespräche über den EU-Kandidatenstatus geführt hat. Sie hält nach Worten am
EU-Kurs fest - verfolgt aber zugleich gute Kontakte nach Moskau.

Als ein Treiber des Gesetzes gilt der Parteigründer Bidsina Iwanischwili,
der mit Geschäften in Russland zum Milliardär geworden ist und zeitweise auch
Ministerpräsident war. Er vertrat in der Vergangenheit die Ansicht, dass sich
Georgien vor verderblichem westlichem Einfluss schützen müsse./aha/DP/zb

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