07.07.2024 14:58:54 - dpa-AFX: Unbeirrter Biden mit neuen Rückzugsforderungen konfrontiert

WASHINGTON (dpa-AFX) - In der Debatte um die Eignung von US-Präsident Joe
Biden als Präsidentschaftskandidat hat sich eine weitere Kongressabgeordnete
öffentlich für einen Rückzug des Demokraten ausgesprochen. "Präsident Biden ist
ein guter Mann und ich schätze sein lebenslanges Engagement", schrieb die
Demokratin Angie Craig auf der Online-Plattform X. "Aber ich glaube, er sollte
Platz machen für die nächste Führungsgeneration. Es steht zu viel auf dem
Spiel."

Craig ist eine von inzwischen fünf Demokratinnen und Demokraten im
Repräsentantenhaus, die sich öffentlich gegen Biden wenden. Zwei weitere
Abgeordnete haben außerdem ihre Einschätzung publik gemacht, dass er bei der
Präsidentenwahl im November nicht gegen seinen republikanischen Herausforderer
Donald Trump gewinnen kann.

Am Tag zuvor hatte Biden sich in einem viel beachteten TV-Interview beim
Sender ABC News darum bemüht, die erheblichen Zweifel an seiner Eignung
auszuräumen - doch sie hielten an. David Axelrod, einst Chefstratege von
Ex-Präsident Barack Obama, äußerte sich dazu unter anderem in einem
Meinungsstück für den Sender CNN mit dem Titel "Bidens trotziger Trugschluss".
Der Amtsinhaber müsse sich aus "Pflicht und Liebe für sein Land" aus dem Rennen
zurückziehen, mahnte Axelrod. Sonst werde Bidens Alter den Rest des Wahlkampfes
bestimmen und nicht "Trumps moralische und ethische Leere".

Uneinsichtiger Biden verlässt sich auf Gott

In dem TV-Interview hatte der Journalist George Stephanopoulos dem mit 81
Jahren schon jetzt ältesten US-Präsidenten der Geschichte wenig Gelegenheit
geboten, politische Erfolge in den Mittelpunkt zu rücken. Der Fokus des
Fragestellers lag uneingeschränkt auf Bidens Eignung für den
Präsidentschaftswahlkampf.

Biden reagierte uneinsichtig und sagte unter anderem, zu einem Rückzug könne ihn nur Gott bewegen. Einen ärztlichen Test seiner geistigen Fitness lehnte
Biden ab, schlechte Umfragewerte stellte er infrage. Er weigerte sich außerdem,
näher darauf einzugehen, inwiefern sich sein Verhalten negativ auf die
Mehrheiten im US-Kongress auswirken könnte.

Demokraten haben Sorge um eigene Mandate

Bei der Wahl im November werden neben dem Präsidentenamt auch viele Sitze im Parlament neu vergeben. Unter Demokraten steigt die Angst, dass die Republikaner
künftig sowohl im Weißen Haus als auch im Kongress die Kontrolle haben könnten.
Kritik wird allerdings bislang eher hinter vorgehaltener Hand geäußert, also
indirekt über die US-Medien kommuniziert. Dort häufen sich entsprechende
Aussagen von Mitarbeitern namentlich nicht genannter Kongressmitglieder. Diese
Botschaften könnten in den kommenden Tagen lauter werden - es steht eine
Sitzungswoche im Kongress an. Berichten zufolge wird in der Partei mit weiteren
Abweichlern gerechnet, die sich möglicherweise auch untereinander koordinieren.

Gerangel um das Narrativ

Seit seinem desaströsen Auftritt beim ersten TV-Duell gegen Trump kämpft
Biden an allen Fronten, um seine Kandidatur zu retten. Dabei setzt er auch auf
zahlreiche Auftritte vor Publikum. Heute macht Biden in Pennsylvania Wahlkampf -
der Bundesstaat gilt als "Swing State" und ist somit besonders wichtig, weil er
weder den Demokraten noch den Republikanern fest zugerechnet werden kann.

Als Zeichen der Geschlossenheit schaltete sich Biden am Samstag mit mehreren verbündeten Parteikollegen zusammen, darunter der Senator Chris Coons. Der
langjährige Weggefährte Bidens sagte CNN, es habe sich um ein "konstruktives,
offenes und positives Telefonat" gehandelt, bei dem Biden "ehrliche Ratschläge"
eingeholt habe. Dabei sei man sich einig gewesen, dass das TV-Interview gut
gelaufen sei. Zuvor hatte Bidens Wahlkampfteam verlauten lassen, der
US-Präsident habe die "Erwartungen übertroffen".

Trump-Team verschickt Mafia-Zitat

Trump nutzte Bidens innerparteiliche Bredouille derweil für seine eigenen
Zwecke. "Der korrupte Joe Biden sollte seine zahlreichen Kritiker ignorieren und
mit Eifer und Kraft seine mächtige und weitreichende Kampagne vorantreiben",
verkündete der Republikaner sarkastisch über sein Sprachrohr Truth Social. "Er
sollte scharfsinnig, präzise und energisch sein, genau wie im TV-Duell."

Wenig später verschickte Trumps Wahlkampfteam eine E-Mail mit einem Link zum X-Account der berühmten Mafia-Fernsehserie "Die Sopranos". Dieser hatte auf
einen X-Beitrag Bidens mit dem Zitat reagiert: "Wenn Du immer wieder sagen
musst, dass Du der Boss bist, bist Du nicht der Boss." Dem New Yorker
Immobilienmogul Trump wurden in der Vergangenheit selbst Verbindungen zum Mob
nachgesagt, aber nie nachgewiesen.

Eigentlich hat Biden die Präsidentschaftskandidatur für seine Partei bereits sicher - offiziell soll er beim Parteitag der Demokraten gekürt werden, der vom
19. bis 22. August in Chicago stattfindet. Bei den Vorwahlen hat der
US-Präsident die nötigen Delegiertenstimmen dafür gesammelt. Nennenswerte
Konkurrenz hatte er im Vorwahlkampf nicht. Sollte er nun doch noch freiwillig
das Handtuch werfen oder zum Verzicht gezwungen werden, müssten sich die
Demokraten schnell auf einen Ersatz einigen./gei/DP/he

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