21.05.2024 07:12:44 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Baerbock in Kiew - Appell für mehr Unterstützung bei Luftabwehr

(neu: mehr Details und Hintergrund)

KIEW (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock hat angesichts der
aktuellen russischen Offensive eindringlich mehr internationale Unterstützung
für die Ukraine bei der Luftverteidigung verlangt. "Um die Ukraine vor dem
russischen Raketen- und Drohnenhagel zu schützen, braucht sie dringend mehr
Luftabwehr", forderte die Grünen-Politikerin am Dienstag zum Auftakt ihres
siebten Solidaritätsbesuches in der Ukraine seit Beginn des russischen
Angriffskrieges im Februar 2022. Die Außenministerin war am Morgen zu einem aus
Sicherheitsgründen nicht angekündigten Besuch in der Hauptstadt Kiew
eingetroffen.

"Wir müssen jetzt alle Kräfte bündeln, damit die Ukraine bestehen kann (...) und damit Putins Truppen nicht bald vor unseren eigenen Grenzen stehen",
appellierte Baerbock an die internationalen Partnerländer mit Blick auf den
russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bei der von ihr gemeinsam mit
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gestarteten globalen Initiative für
mehr Flugabwehr seien fast eine Milliarde Euro zur zusätzlichen Unterstützung
der ukrainischen Luftverteidigungskräfte zusammengekommen. "Und wir arbeiten
intensiv daran, dass das noch mehr wird." Die Ministerin fügte hinzu: "Wir
drehen jeden Stein mehrfach um und sind selbst mit einer zusätzlichen
Patriot-Einheit vorangegangen."

Baerbock sagt Besuch in Charkiw aus Sicherheitsgründen ab

Die Ukraine ist aus einem Mangel an Waffen, Munition und Soldaten seit
Monaten in der Defensive. Die Millionenstadt Charkiw im Nordosten des Landes
wird von Russland über die Grenze hinweg aus kurzer Entfernung bombardiert.
Baerbock musste einen eigentlich am Dienstag geplanten Besuch in Charkiw wegen
der russischen Angriffe aus Sicherheitsgründen absagen. Sie hatte die zu Beginn
des Kriegs von russischen Truppen heftig angegriffene Stadt schon im Januar 2023
besucht und wollte sich erneut über die Situation der Zivilbevölkerung dort
informieren.

Selenskyj beklagt mangelndes Tempo westlicher Hilfen bei Flugabwehr

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies kurz vor dem Besuch
Baerbocks einmal mehr auf die Dringlichkeit von Flugabwehrwaffen hin. Die
Ukraine brauche am dringendsten weitere Flugabwehrsysteme und westliche
Kampfjets, sagte er am Montag in seiner täglichen Videoansprache. "Leider fehlt
es der freien Welt in diesen beiden Fragen an Schnelligkeit." Aufgrund der
Luftüberlegenheit könne Russland mit Gleitbomben Städte und
Verteidigungsstellungen der Ukrainer vernichten. Aktiv nutzten die Russen seinen
Angaben nach die zerstörerische Taktik an den Frontabschnitten bei Charkiw sowie
im Gebiet Donezk in Richtung Tschassiw Jar und Pokrowsk.

Selenskyj hatte in den vergangenen Tagen mehrfach um die Lieferung von zwei
weiteren Flugabwehrsystemen des Typs Patriot gebeten. Damit könne das immer
wieder aus der Luft angegriffene Charkiw besser geschützt werden. Die
Millionenstadt im Nordosten der Ukraine ist eine der am schwersten vom Krieg
getroffenen Orte.

Deutschland hat dritte Patriot-Einheit zugesagt

Dem Vernehmen nach verfügt die Ukraine bislang über drei der
leistungsstarken Flugabwehrsysteme aus US-Produktion. Zwei davon hat Deutschland
bereitgestellt, die Bundesregierung hat eine dritte Patriot-Einheit zugesagt. Es
gibt allerdings keine Hinweise, ob das System schon in der Ukraine eingetroffen
ist. Die dritte derzeit aktive Patriot-Einheit in der Ukraine stammt aus den
USA. Washington prüft die Lieferung eines weiteren Systems. Die deutschen
Versuche, Patriots bei Partnerländern in Europa oder in Übersee zu beschaffen,
haben bislang nicht gefruchtet.

Baerbock: Stehen felsenfest an der Seite der Ukraine

Die Bundesaußenministerin sicherte den Menschen in der Ukraine dauerhafte
Unterstützung zu. Putin "spekuliert darauf, dass uns irgendwann die Luft
ausgeht, aber wir haben einen langen Atem", erklärte sie. Deutschland stehe
gemeinsam mit vielen anderen Ländern aus allen Teilen der Welt felsenfest an der
Seite der Ukraine. "Darauf können die Menschen in der Ukraine dauerhaft bauen."
Das zeige die Bundesregierung im Juni, wenn sie die Welt zur
Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine nach Berlin einlade. "Gemeinsam mit
unseren Partnern in der Welt und einem starken Bündnis aus Wirtschaft,
Zivilgesellschaft und Kommunen investieren wir langfristig in eine
Zukunftsversicherung für die Ukraine."

Russische Offensive bei Charkiw - Angriffe auf Infrastruktur

Die aktuelle russische Offensive im Grenzgebiet nahe Charkiw bedroht die
Ukraine seit Mitte Mai gleich doppelt. Zum einen zwingt der russische Vorstoß
die ukrainische Armee, dort Reserven einzusetzen, die an anderen Stellen der
Front fehlen. Der Armeeführung in Kiew zufolge halten die Verteidigungslinien.
Trotzdem sind die Russen etwa zehn Kilometer tief auf ukrainisches Gebiet
vorgestoßen. Sie könnten bald Artillerie nach vorn bringen, die Charkiw dann
zusätzlich zu den Luftangriffen beschießen könnte.

Neben militärischen Zielen hat Russland im März und April vor allem
ukrainische Kohlekraftwerke beschossen. Diese sind mittlerweile fast vollständig
ausgeschaltet. Auch wichtige Wasserkraftwerke sind beschädigt. Die Regierung in
Kiew schätzt, dass mehr als 40 Prozent der Kapazitäten zur Stromproduktion
ausgefallen sind.

"EU-Beitritt der Ukraine geopolitische Konsequenz aus Angriffskrieg"

Die Bundesaußenministerin nannte einen EU-Beitritt der Ukraine erneut "die
notwendige geopolitische Konsequenz aus Russlands völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg". Das Land habe "beeindruckende Fortschritte gemacht und ist trotz
der russischen Zerstörungswut auf Reformkurs". Nun gelte es, in den
Anstrengungen für eine Justizreform, bei der Korruptionsbekämpfung und der
Medienfreiheit nicht nachzulassen./bk/fko/DP/jha

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